Bibliographic Metadata
- TitleLudwig Busse an Vaihinger, Rostock, 10.12.1896, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 3 p, Nr. 3
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 3 p, Nr. 3
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Ludwig Busse an Vaihinger, Rostock, 10.12.1896, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 3 p, Nr. 3
Rostock, Friedr[ich] Franzstr. 36.
d. 10. Dez[ember] 96.
Hochverehrter Herr College!
Ihr freundlicher Brief[1] – den ich vorausgesehen habe – trifft mich mitten in der Arbeit an dem Adickesartikel[2]. Ich habe nämlich, sobald ich hier wieder etwas aufathmen konnte[3], mich an die Sache herangemacht und zur Zeit etwa einen Druckbogen druckfertig gemacht; ich hoffe auch in der Lage zu sein, wenigstens die erste Hälfte, die für sich gedruckt werden könnte, in den Weihnachtsferien zu vollenden. Daß ich nicht weiter gekommen bin, ist nicht meine, sondern die Schuld der Verhältnisse, meiner persönlichen und meiner akademischen Verhältnisse. Mit meinem Zustand ist es vor der Hand nicht besser geworden; im Gegenteil. Trotzdem bin ich in dieser Hinsicht gutes | Muts, denn ich glaube endlich die Ursache, die causa efficiens meiner Nervosität entdeckt zu haben – in den Augen. Ich fand, daß diese am ersten beim Lesen und Arbeiten versagten und habe mich in der hiesigen Universitäts-Augenklinik untersuchen lassen. Es wurde hochgradige Insufficienz constatiert, ein Fehler, der nach Aussage des Professors sehr wohl geeignet ist, in Folge[a] der Anstrengung, die auseinanderstrebenden Bilder der beiden Augen zur Deckung zu bringen, Kopfschmerzen Herzklopfen und nervöse Unruhe hervorzurufen. Durch eine Brille läßt sich der Fehler nur mäßig ausgleichen; im Uebrigen ist eine – an sich unbedeutende Operation nötig, der ich mich aber, da sie wochenlange Schonung der Augen im Gefolge hat, erst Ostern unterziehen kann. Bis dahin leide ich unter dem Uebelstand, daß ich nach 2 Stunden Lesen oder Schreiben aussetzen und meine Augen ruhen muß, da ich sonst Kopfschmerzen bekomme. | Sie begreifen, daß ich unter diesen Umständen langsam vorwärts komme. Die geringe Zeit, die mir bleibt, wird nun aber noch durch amtliche Thätigkeit in Anspruch genommen. Von der Bestimmung, daß ich mindestens 10 Stunden Vorlesungen ankündigen muß, habe ich mich zwar dieses Semester noch befreien können, aber unter dem jetzigen Umständen bedeuten auch die 6 Stunden, die ich lehre, viel. Dazu kommen die Prüfungen im Rigorosum und im Staatsexamen, die ich alle allein erledigen muß. Sofort nach meiner Einführung sind mir 4 zum Teil recht umfangreiche philosophische Doctordissertationen zur Prüfung übergeben, die bis zu den Weihnachtsferien erledigt werden wollen. Zwei habe ich bereits als gänzlich ungenügend zurückgewiesen[b]. Diese Arbeiten, an die sich wöchentlich mehrere Fakultäts- und Senatssitzungen anschließen, nehmen leider meine Zeit furchtbar in Anspruch. Ihr Vorschlag, zunächst eine kürzere Be|sprechung zu liefern enthält für mich das Mißliche, daß ich in ihr die Hauptgesichtspunkte des Aufsatzes vorwegnehmen müßte und andernfalls mich in ihr auf Begründungen kaum einlassen könnte. Ich will daher versuchen, den Aufsatz in den Weihnachtsferien wenigstens I. fertig zu stellen, um mir die Möglichkeit, ihn sogleich zu publicieren, vorzubehalten. Für alle Fälle will ich Ihnen aber, und zwar noch vor Weihnachten[4], auch ein kürzeres Referat schicken, damit Sie gedeckt sind. Daß Sie mit den Heften Schwierigkeiten haben, glaube ich gern. Redacteur zu spielen ist überhaupt eine schwierige Aufgabe. Beiläufig gesagt, schrieb mir vor einigen Tagen Bergmann, daß er Ihnen ein Manuskript[c][5] eingesandt habe und noch völlig im Ungewissen über das Schicksal desselben sei. Können Sie ihn vielleicht durch eine Postkarte[6] beruhigen? Ich bitte endlich, mich den Hallenser Collegen zu empfehlen und einen ehrerbietigen Gruß an Ihre Frau Gemahlin, die Verfasserin des Bibliothekskataloges[7] auszurichten. Mit besten Weihnachtswünschen und Grüßen Ihr ergebenster
L. Busse.
Kommentar zum Textbefund
b↑zurückgewiesen ] danach Fußnotenzeichen und -text: Darunter eine betitelt: Die Wurzeln und Mängel der Kantischen Philosophie. Der Autor löst diese Fragen spielend auf 58 weitläufig geschriebenen Halbseiten.Kommentar der Herausgeber
3↑sobald ich hier wieder etwas aufathmen konnte ] nach Busses Berufung nach Rostock, vgl. die Notiz auf S. 152 der Zeitschrift für Philosophie und Philosophische Kritik 108/109 (1896): Gestorben: am 28. Mai 1896 Dr. Heinrich Ludw. Wilh. von Stein, ord. Prof. der Philosophie in Rostock, im Alter von 62 Jahren […]. In die durch H. v. Steins Tod erledigte ordentliche Professur in Rostock, welche Prof. Rickert angetragen worden war, ist Dr. Ludwig Busse, Privatdocent in Marburg, berufen worden.5↑ein Manuskript ] vgl. Julius Bergmann: Zur Lehre Kants von den logischen Grundsätzen. In: Kant-Studien 2 (1898), S. 323–348.6↑durch eine Postkarte ] nicht ermittelt, zum Kontext vgl. Julius Bergmann an Vaihinger vom 24.10.1896.▲