Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Jakob Frohschammer, Halle, 18.7.1889, 4 S., hs., Umschlag an Herrn | Professor Dr Frohschammer | aus München | zur Zeit | Bad Kreuth bei Tegernsee | (Bayern), Absender (Stempel) Dr. H. Vaihinger | Professor | Halle a/Saale., Poststempel HALLE | 19.7.89. 8-9V. | * (SAALE) 1b, KREUTH (WILDBAD) | 20 | JUL. | 4–5 m | 89., Universitätsbibliothek München, 4°Cod.ms. 917m (412,4)
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek München, 4°Cod.ms. 917m (412,4)
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Vaihinger an Jakob Frohschammer, Halle, 18.7.1889, 4 S., hs., Umschlag an Herrn | Professor Dr Frohschammer | aus München | zur Zeit | Bad Kreuth bei Tegernsee | (Bayern), Absender (Stempel) Dr. H. Vaihinger | Professor | Halle a/Saale., Poststempel HALLE | 19.7.89. 8-9V. | * (SAALE) 1b, KREUTH (WILDBAD) | 20 | JUL. | 4–5 m | 89., Universitätsbibliothek München, 4°Cod.ms. 917m (412,4)
Halle a/S.
18.VII.1889.
Verehrter Herr Professor!
Genehmigen Sie den Ausdruck des lebhaftesten Dankes für das werthvolle Geschenk, das Sie mir durch Zusendung Ihres neuen Werkes über die Philosophie des Thomas von Aquin[1] gemacht haben, und gestatten Sie zugleich, daß ich Ihnen zur Vollendung dieses bedeutenden und bedeutsamen Opus meinen herz|lichsten Glückwunsch ausspreche. Sie haben damit Ihr Lebenswerk gleichsam gekrönt und gewiß wird dieses Werk an der Zeit nicht spurlos vorübergehen können. Freilich mögen Sie darin Recht haben[2], daß der hereinbrechende Geisteszwang dadurch nicht verhindert werden kann. Es mag ja wohl tiefere völkerpsychologische Ursachen haben, daß sich gerade das deutsche Volk diesem Geisteszwange gegenüber sowenig standhaft erweist; es ist vielleicht die Erschöpfung in Folge der großen geistigen und physischen Anstrengungen des | ganzen Jahrhunderts daran schuld, vielleicht auch die Angst vor den wirklichen als eingebildeten Gefahren der atheistischen und socialdemokratischen Bestrebungen. Vielleicht mag der Geisteszwang also noch einige Zeit wachsen, aber er wird auch wieder abnehmen, und in beiden Fällen wird Ihr neues Werk den Gegnern der Hierarchie[3], den Freunden der freien Forschung ein willkommenes Arsenal bleiben, aus dem man immer wieder Waffen gegen den Erbfeind des deutschen Geistes wird holen können. | Und so glaube ich, daß Sie weder in Bezug auf Ihr individuelles Lebenswerk, noch in Bezug auf die allgemeine Weltlage zu dem Pessimismus berechtigt sind, der aus Ihren Zeilen herausklingt.
Mögen Sie in dem schönen Kreuth[4] frische Kraft und Erholung finden, deren Sie nach Vollendung eines so mühsamen Werkes gewiß bedürftig sind, damit Sie noch recht lange für die Freiheit der Wissenschaft[5] frisch und energisch kämpfen können!
Mit wiederholtem Danke und mit dem Ausdrucke herzlicher Verehrung Ihr ergebenster
H. Vaihinger.
Kommentar der Herausgeber
1↑Werkes über die Philosophie des Thomas von Aquin ] vgl. Frohschammer: Die Philosophie des Thomas von Aquino kritisch gewürdigt. Leipzig: Brockhaus 1889.2↑Recht haben ] vgl. für das Folgende v. a. Frohschammers ausführliche Vorrede zu seinem genannten Buch, S. V–XX.3↑Gegnern der Hierarchie ] gemeint: des Katholizismus, bzw. den Gegnern der Berufung von katholischen Priestern auf philosophische Lehrstühle, vgl. zum Kontext (neben Frohschammers eigener Vita) z. B. Universitätsarchiv Freiburg/Breisgau, B 38/131, Angelegenheiten der zweiten philosophischen Professur 1897–1916, Bl. 97: Auszug des in der Sitzung vom 14.12.1897 diskutierten Gutachtens der philosophischen Fakultät gegen den Plan des vorgesetzten Ministeriums, die Professur für philosophische Propädeutik aus der theologischen an die philosophische Fakultät zu transferieren, nach Anregungen von Wilhelm Windelband verfasst von Heinrich Rickert: Denn ein katholischer Priester, der dem Papste Gehorsam schuldet, kein Buch ohne Genehmigung seiner vorgesetzten kirchlichen Behörde veröffentlichen darf, ist seit der Thomas-Encyclika des Papstes Leo XIII vom 4. August 1879 gar nicht mehr in der Lage, irgend etwas als Philosophie zu lehren, was nicht mit den Lehren des Thomas genau übereinstimmt.▲