Bibliographic Metadata
- TitleCarl du Prel an Vaihinger, Silz (Tirol), 6.8.1888, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 p, Nr. 13
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 p, Nr. 13
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Carl du Prel an Vaihinger, Silz (Tirol), 6.8.1888, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 p, Nr. 13
Silz
Oberinnthal
Tirol
6.VIII.88.
Verehrter Freund![a]
Der 1te Erdmannartikel[1] ist nicht mit Ihrem Briefe[2] gekommen; er wird wohl morgen eintreffen.
Wenn Sie sagen, es bestehe gar kein Zusammenhang zwischen Hypnotismus und Spiritismus, so ist das nur für die wenigen von Ihnen angestellten Experimente gültig. Hätten Sie so viel gesehen, wie ich, so würden Sie zugeben, daß jeder Hypnotismus zum Somnambulismus, jeder Somnambulismus zum Spiritismus sich allmählig steigern kann. Ich habe einen eigenen Aufsatz geschrieben: Wohin führt der Hypnotismus?[3] mit der Antwort: zum Spiritismus. (Psych[ologische] Studien). Hartmann’s Urtheil über mich[4] ist ganz werthlos. Gesehen hat er gar nichts und gelesen – er selbst theilte mir das Verzeichniß mit – lächerlich wenig. Seitdem er in seinem Essay über mich sagte, daß ich den medicinischen | u. pädagogischen Werth des Somnambulismus überschätze, hat die Entwicklung der Dinge mir recht gegeben, nicht ihm.
Wenn jemand die Existenz von München bezweifelt, werde ich ihn nicht durch Argumente widerlegen, sondern ihm rathen hinzureisen. So auch in der Mystik. Die von mir erlebten Thatsachen wollen Sie durch Federstrich beseitigen. Sie meinen natürlich, ich sei betrogen worden. Dann muß mich aber auch meine eigene Frau[5] betrügen, die auch ein gelindes Medium ist. Auch schlechte Beobachtung können Sie bei mir vermuthen, aber doch nicht bei allen 50 Professoren, Ärzten und Laien, die mitbeobachtet haben.
Daß das Argument der „Abgeschmacktheit“ – ein Urtheil, das nur aus ungenügendem Material abgezogen ist – nicht wissenschaftlich ist, sagen Sie sich wohl selber. Ewas Anderes ist, wenn Sie erklären, an dieser einen Welt schon genug zu haben. Das mag sehr praktisch sein, und solange Sie nicht ordentlicher Professor sind, möchte ich Ihnen sogar dringend abrathen, sich auf Spiritismus einzulassen[6]. Sie würden schöne Dinge erleben! Ich behaupte nur, daß a priori sich Nichts leugnen läßt. Im | Einleitungskapitel meiner „Monistischen Seelenlehre“[7] finden Sie ein 50 Seiten langes Sündenregister der Wissenschaft[8], die beständig den Fortschritt aufgehalten hat, weil sie a priori leugnete, was sie schließlich doch zugeben mußte. So mit dem Spiritismus, an den in 10 Jahren auch Sie baumfest glauben werden. Gelöst wird Ihnen das Menschenräthsel auch dann nicht erscheinen, aber doch vorwärts gebracht. Hätte ich Geld, um mir Versuchspersonen zu halten[9], so würde ich zunächst meinen Vorschlag, wie der Somnambulismus ganz eigentlich experimentell betrieben werden kann[10], durch Experimente bestätigen – habe nur 1 angestellt[11] und dieses gelang: Hellsehen –; dann könnte ich à distance mit Ihnen experimentiren und Sie würden bald Ihre blauen Wunder erleben. Vielleicht kommt es doch noch ohne Geld dahin.
Mit besten Grüßen
du Prel
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
3↑Wohin führt der Hypnotismus? ] vgl. du Prel: Wohin führt der Hypnotismus?, in: Psychische Studien 15 (1888), S. 10–15 u. 58–63.4↑Hartmann’s Urtheil über mich ] vgl. Eduard von Hartmann: Der Somnambulismus. In ders.: Moderne Probleme. Leipzig: Wilhelm Friedrich 1886, S. 207–277 (zuerst in: Nord und Süd 1885); S. 240: Nicht minder als den Heilwerth des Hypnotismus überschätzt du Prel den Werth der somnambulen Sensitivität und der durch sie vermittelten Diagnose eigener und fremder Körperzustände.5↑meine eigene Frau ] Albertine Baur, verwitwete Schmid (1853–1915), vgl. Tomas Kaiser: Zwischen Philosophie und Spiritismus: (Bildwissenschaftliche) Quellen zum Leben und Werk des Carl du Prel, 2006 (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:luen4-opus-110843 (19.8.2024)), S. 54.8↑Sündenregister der Wissenschaft ] vgl. auch du Prel: Eduard von Hartmann über den Spiritismus. In: Die Gegenwart, Nr. 27 vom 4.7.1885, S. 9–10.▲
