Bibliographic Metadata
- TitleBenno Erdmann an Vaihinger, Breslau, 20.9.1885, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 m, Nr. 22
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 m, Nr. 22
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Benno Erdmann an Vaihinger, Breslau, 20.9.1885, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 7 m, Nr. 22
Br[eslau] 20/9 85
Moltkestr. 10.
Lieber Herr College,
Ihren letzten Brief erhielt ich zwei Tage vor unserer Abreise nach Tirol[a] wo wir vergeblich gehofft haben, dass der Zufall Sie uns in den Weg[b] führen würde. Ich habe mich durch einige Hochtouren für die schlechte Breslauer Luft zu entschädigen gesucht.
Laas’ Tod[1] hat auch mich schmerzlich bewegt. Von dem, was nun in Straßb[urg] werden wird, habe ich keine Vorstellung. Glauben Sie, dass Windelband[c] Neigung hat, Sie neben sich zu setzen?[d] Es würde mich herzlich freuen, wenn es | so würde, obschon ich zweifle, dass Ihr Einvernehmen sich gut gestalten könnte. Auch für Freudenthal[2] hier hoffe ich, allerdings mit sehr viel weniger Zuversicht, fällt etwas ab.[e]
Für Schneider[3] sehe ich leider zur Zeit gar keine Aussicht. Unser Zoologe hat seine Stellen besetzt, und würde, fürchte ich, in Schneiders[f] philosophischer Tätigkeit einen Gegengrund gegen ihn sehen. Zu einem Stipendium ihn vorzuschlagen scheint mir auch untunlich. Ich weiß kein anderes als das Priv[at]-Doc[enten]-Sti[pendium]. Dazu aber jemand empfehlen würde ich mich bei der jetzigen Überfüllung an Docenten nur entschließen, wenn ganz besondere Leistungen, und ein schon bewiesenes Lehrtalent vorlägen. Sonst ist es ein Danaergeschenk. Auch | trifft das wol kaum Schneiders[g] Neigungen. Seine Arbeiten gehen doch mehr in die Breite als in die Tiefe.
Ich habe jetzt, seit der Mitte des Sommers, eine psychologische Arbeit[h] vor, die mich um so mehr reizt, je ernster ich sie angefasst habe. Es handelt sich um Hypothesen[i], die ich bisher schon mehrfach für mich behandelt habe, um die Theorie der Apperception[j], den Ursprung u. die Bewusstseinsrepräsentation der Allgemeinvorstellungen[k], ihre Beziehungen zur Sprache[l], zum Urteil u. s. w. Ich werde mich deshalb vorerst, ich schätze noch 1 ½–2 J[ahre] still verhalten, um meine Arbeit ganz diesem Thema widmen zu können. Auch die Refl[exionen] Bd. II,2 lasse ich bis dahin liegen. Erfreulich und aufmunternd finde ich das Schweigen über die mühevolle Arbeit an Bd. II[4][m] | nicht. Das Einzige, was ich bisher gesehen habe, war abges[ehen] von einem Zeitungsartikel, die elende Rec[ension] von Simmel[5] in der D[eutschen] L[itteratur] Z[eitung].
Lassen Ihnen die Collegien jetzt Zeit an Bd. II[n] Ihres Commentars[6] zu denken?
Sie erhalten jetzt in Prof. Pischel aus Kiel[7] einen neuen Collegen, der mir ein lieber Freund gewesen und geblieben ist. Ich schätze ihn als Menschen wie als Philologen außerordentlich. Ich hoffe, er wird auch Ihnen gefallen. Wir erwarten ihn Anfang October hier zu Besuch; sein Vater lebt hier. Sehen Sie ihn vorher, so grüßen Sie ihn mir.
Mit freundlichen Grüßen, auch von meiner Frau[8]
Ihr ganz ergebener
B Erdmann
Kommentar zum Textbefund
k↑Ursprung u. die Bewusstseinsrepräsentation der Allgemeinvorstellungen ] mit Blaustift unterstrichenKommentar der Herausgeber
5↑von Simmel ] abgedruckt in Georg Simmel Gesamtausgabe Bd. 1. Hg. v. Klaus Christian Köhnke (1999).7↑Prof. Pischel aus Kiel ] Richard Pischel (1849–1908), 1875 ao. Prof. für Sanskrit und vergleichende Sprachforschung in Kiel, 1877 o. Prof. 1885 auf den neugegründeten Lehrstuhl für Sanskrit und vergleichende Sprachforschung an der Universität Halle berufen (https://www.catalogus-professorum-halensis.de/pischelrichard.html (19.8.2024)).▲