Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Eduard Zeller, Straßburg, 13.6.1883, 4 S., hs., Universitätsbibliothek Tübingen, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md747-782
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Vaihinger an Eduard Zeller, Straßburg, 13.6.1883, 4 S., hs., Universitätsbibliothek Tübingen, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md747-782
Straßburg 13. Juni 83.
Hochzuverehrender Herr GeheimeRath und Professor![a]
Die gütige Theilnahme und das thätige Wohlwollen, das Ew. Hochwohlgeboren meinen Arbeiten und meiner Person zu schenken mehrfach Gelegenheit nahmen, läßt es mir als eine angenehme Pflicht erscheinen, Sie von einer Veränderung meiner Lage in Kenntnis zu setzen, welche ich schon lange ersehnte. |
Ich bin hier zum Extraordinarius ernannt[1] worden, allerdings mit sehr geringem Gehalt. Daß dieses Ziel, das meine Freunde[2] hier schon lange für mich erstrebten, erreicht worden ist, ist einem an sich sehr widerwärtigen Vorkommniß zuzuschreiben. Nachdem Gießen an Siebeck[3] gefallen war, hatte derselbe die Loyalität, mich in Basel energisch zu empfehlen. Er schlug vor: Glogau, mich, Volkelt[4], Bolliger[5]. Glogau ist sein persönlicher Freund. Volkelt war ihm mehr von Jena aus aufgedrungen worden. Von Biedermann[6] in Zürich wurde für Rehmke[7] stark agitirt. Bei einer mehrtägigen Anwesenheit hier besprach Siebeck das Einzelne mit mir. Er wollte den Ruf zunächst an Glogau gelangen lassen; es bestand | die Aussicht, daß Glogau vielleicht in Halle gehalten würde; wo nicht, so durfte ich mir für Halle einige Hoffnung machen.
Nun aber kam der Ruf nicht an Glogau, weil die sparsame Baseler Regierung wußte, daß sie die beiden folgenden billiger bekäme. Ich aber wurde seitens der Regierung aus dem offen ausgesprochenen Grunde übergangen, weil in Basel zwei Privatdocenten sind und man diesen nicht den vermeintlichen Affront zufügen wollte, ihnen einen deutschen Privatdocenten als Ordinarius hinzusetzen. Und doch war ich, wie ich erst nachträglich erfahre, z.°B. von Sigwart[8] warm empfohlen worden, den man über mich gefragt hatte.
So kam der Ruf an Volkelt, der sich mit mir habilitirt[9] hat. Ich weiß be|stimmt, daß diese Änderung nicht im Sinne von Siebeck war.
Ich bat Siebeck um eine Bestätigung, daß der genannte Grund in Basel ausschlaggebend[10] gewesen war. Dieses Factum machte eben bei Fakultät und Regierung einen solchen Eindruck, daß ich nunmehr das gewünschte Resultat erreicht habe, worüber ich nunmehr sehr glücklich bin: trotz des sehr geringen Gehaltes.
Ich hätte die hinter mir liegende schwere Zeit kaum überstanden, wenn mir nicht von Zeit zu Zeit Ihr tröstlicher Zuspruch Muth eingeflößt hätte. So darf ich wohl, hochzuverehrender Herr Geheimerath, Ihnen für all Ihre Güte und Theilnahme meinen tiefsten Dank aus vollem, aufrichtigem Herzen aussprechen.
In tiefer Verehrung, in inniger Dankbarkeit Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenster
H. Vaihinger
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑zum Extraordinarius ernannt ] vgl. Vaihinger im Rückblick: Wie ich Professor in Straßburg wurde. In: Neue Freie Presse, Nr. 20854 vom 29. September 1922, Morgenblatt, S. 1–2. Datiert: Halle a. d. S., 20. September (Digitalisat via https://anno.onb.ac.at/ (7.8.2024)).2↑meine Freunde ] Otto Liebmann, Ernst Laas, Georg Gerland; vgl. Vaihinger an Zeller vom 10.6.1882 sowie den übrigen vorhergehenden Briefwechsel Vaihinger/Zeller.3↑Gießen an Siebeck ] vgl. den vorhergehenden Briefwechsel Vaihinger/Zeller, bes. Vaihinger an Zeller vom 27.6.1882.4↑Volkelt ] Johannes Volkelt (1848–1930), der das Ordinariat erhielt; 1872 in Leipzig promoviert, 1876 in Leipzig habilitiert, 1879 ao. Prof. in Jena, 1883 o. Prof. in Basel, 1889 in Würzburg, 1894 in Leipzig (BEdPh).6↑Biedermann ] Theologe, vgl. Verzeichnis der Dozenten an der Universität Zürich Sommersemester 1833 bis Wintersemester 1937/38. Bearbeitet von F. Peter [1938/1939], S. 957: Biedermann, Aloys Emanuel. *2.3.1819 Bendlikon, Kt. Zürich; B[ürger] von Winterthur und von Zürich. W 1850 AO, W 1860 O für NT und Syst, 1874–76 Rektor, †25.1.1885 Zürich (https://www.archiv.uzh.ch/dam/jcr:00000000-192d-6565-ffff-ffffb128fc2a/uzh_dozierendenverzeichnis_1833-1933.pdf (7.8.2024)).7↑Rehmke ] Johannes Rehmke (1848–1930), 1873 in Zürich promoviert, 1875–1883 an der Kantonsschule St. Gallen, 1884 in Berlin habilitiert, 1885 ao. Prof. Greifswald, 1887 dort o. Prof., 1921 nach Marburg (BEdPh).8↑von Sigwart ] Christoph von Sigwart (1830–1904), bei dem Vaihinger 1874 in Tübingen mit der für 1872/1873 preisgekrönten Arbeit Die neueren Theorien des Bewußtseins nach ihrer metaphysischen Grundlage und ihrer Bedeutung für die Psychologie promoviert hatte (NDB). Die ungedruckte dreiteilige Arbeit ist überliefert als Reproduktion des eigenhändigen Manuskriptes im UA Tübingen. Eine msl. Abschrift befindet sich in der Handschriftenabteilung der Berliner Staatsbibliothek, MS. GERM. FOL. 1706; LXXII, 580 S., 2002 erworben aus dem Nachlass Arnold Kowalewskis.▲