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- TitleBartholomäus von Carneri an Vaihinger, Schloss Wildhaus (Zellnitz an der Drau/Selnica ob Dravi, ehemals Untersteiermark), 17.5.1883, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 4 d, Nr. 13
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 4 d, Nr. 13
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Bartholomäus von Carneri an Vaihinger, Schloss Wildhaus (Zellnitz an der Drau/Selnica ob Dravi, ehemals Untersteiermark), 17.5.1883, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 4 d, Nr. 13
Wildhaus 17. Mai 1883.
Hochverehrter Herr!
Erst seit zwei Tagen bin ich hier, denn ich mußte wider Willen die Pfingstfeiertage in Gratz zubringen. Spät aber herzlich danke ich Ihnen für Ihr liebes theilnehmendes Schreiben vom 2. Dieses.[1] Bei der Schulnovelle[2] sind wir unterlegen, aber einiger und stärker, als je, sind die Deutschösterreicher aus diesem Kampf hervorgegangen. Lange kann es nicht mehr so fortgehen, und in keinem Fall geben wir nach.
Darin haben Sie Recht, daß ein Sturz unseres jetzigen Ministeriums nicht genügen würde, um Ihre Ernennung | herbeizuführen. Es wäre nur die unerläßliche Bedingung für das Zustandekommen eines verfassungstreuen Ministeriums, und käme es zu einem solchen, so würde ich es übernehmen, Ihre Ernennung durchzusetzen. Ich gebe zu, daß diesem Ministerium ein noch fataleres im Grabe folgen könne, und bestreite durchaus nicht die Möglichkeit, daß Sie Ihr Ziel unter den Auspicien Conrad’s erreichen. Im Moment ist er allerdings nicht gewillt es herbeizuführen, aber tröstend ist der Gedanke, daß er, in Pension tretend, in Gratz sich nieder|lassen wird und dass es ihm erwünscht sein sollte die Herren an der dortigen Universität mit deren manchem er von Alters bekannt ist sich günstig zu stimmen.
Was Sie von der Schönheit dieser edlen Welt sagen, erwahrt[a] sich leider nur zu oft. Aber lassen Sie den Muth nicht sinken; ein Mann wie Sie kann nicht untergehen. Was Sie von dem Schaukelsystem Conrad’s sagen, hat seine Richtigkeit, und als ich heute in der N[euen] F[reien] Presse[3] las, daß er soeben den Deutschen in Mähren zwei Schläge versetzt hat durch die Auflassung eines deutschen Gymnasiums und den deutschen | Parallelklassen in einem tschechischen Gymnasium, dachte ich mir: vielleicht erweist er den Deutschen in Steiermark demnächst eine Freundlichkeit.
Sagen Sie Prof. Schmidt bei Gelegenheit meinen Dank für die liebenswürdige Sendung, und daß mich die Entschiedenheit, mit welcher er Herrn Moritz Wagner abgeführt[4] hat, höchlichst erfreut.
Damit grüße ich Sie bestens und bleibe mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung Ihr ganz ergebener
B. Carneri
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
3↑heute in der N[euen] F[reien] Presse ] vgl. den Bericht in: Neue Freie Presse, Nr. 6722 vom 16.5.1883, S. 4: Das deutsche Gymnasium in Walachisch-Meseritsch (https://anno.onb.ac.at/cgi-content/annoshow?call=nfp|18830516|24|100.0|0 (7.8.2024)).4↑Herrn Moritz Wagner abgeführt ] genauer Anlass nicht ermittelt. Oscar Schmidt und Moritz Wagner (1813–1887) vertraten gegensätzliche Interpretationen der Deszendenztheorie (vgl. z. B. die Auseinandersetzung mit Wagner in Schmidt: Descendenzlehre und Darwinismus. 2., verbesserte Aufl. 1875, S. 144–145).▲