Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Ernst Laas, Straßburg, 6.5.1883, 4 S., hs., Briefentwurf, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 h, Nr. 5
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 h, Nr. 5
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Vaihinger an Ernst Laas, Straßburg, 6.5.1883, 4 S., hs., Briefentwurf, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 8 h, Nr. 5
Str[aßburg]
6.V.83.
Verehrtester[a] Herr Professor!
Ich werde Ihrem Rat[1] folgen und meine übernommenen Vorlesungen fortsetzen; es gehört freilich eine fast übermenschliche Kraft dazu, nachdem mein an sich ganz gesunder Organismus durch die vorhergehenden Leiden des letzten Jahres ohnedieß auf Äußerste angegriffen worden ist. Es gibt freilich solche, welche für eine so entsetzliche Situation kein Verständniß haben und durch ihre Härte sich nicht das Zeugnis echtmenschlichen Wohlwollens und der Fürsorge für die Wissenschaft ausstellen: solche möchte ich bitten, sich doch an den Fall Goldschmidt[2] zu erinnern, der durch sein ihm doch ganz | unnötiges Ordinariat sich in große Aufregung versetzen muß. Es ist doch etwas zu viel verlangt daß ich auf dem Grab meiner Hoffnung so zu sagen noch vergnügt tanzen soll.
Ein zweiter Brief Siebecks[3] bestätigt den Ihnen schon bekannten[4] vollinhaltlich. Das Original desselben[b] liegt beim Herrn Curator[5], eine Abschrift werde ich Ihnen noch zugehen lassen. Ich habe eine solche auch dem Herrn Prof. Schöll[6] zugestellt, als Dekan. Derselbe kam mir mit wohlthuender und tröstlicher Güte entgegen und versprach mir das Beste: sein herzliches Wohlwollen werde ich nicht vergessen. | Auf seinen Rath ging ich zum Herrn Curator mit dem neuen Briefe Siebecks. Derselbe versprach das Mögliche; es schien mir aber räthlich, ihm nun für einige Zeit in dieser Angelegenheit Ruhe zu gönnen. Wenn nicht ungünstige Gegeneinflüsse stattfinden, so fasse ich Hoffnung, daß er sich von der Nothwendigkeit überzeugt, daß bald etwas geschehe. Er war durch Ihre Unterredung mit ihm günstig für die Sache gestimmt. Ich danke Ihnen herzlich für diese neue Bemühung zu meinen Gunsten. Ich bin trostlos darüber, daß ich Ihnen so viele, viele Mühe | mache. Wer hätte auch gedacht, daß so unendlich viele Schwierigkeiten immer aufs Neue sich wie Berge auftürmen. Aber trotz alledem – ich hoffe doch auf einen günstigen Ausgang; diese Hoffnung hält mich aufrecht, sowie das Vertrauen auf Ihre unerschöpfliche Güte. Ihre herzliche Theilnahme ebenso für meine Person wie für meine Sache ist die Stütze, an der sich mein geschwächter Muth wieder aufrichtet.
In herzlicher Verehrung und inniger Dankbarkeit Ihr aufrichtig ergebener
H. Vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Fall Goldschmidt ] vermutlich Anspielung auf den Indologen Siegfried Goldschmidt, vgl. den Nekrolog in Literatur-Blatt für Orientalische Philologie 1, Oktober 1883 bis September 1884, S. 379–380: Am 31. Januar [1884] Nachmittag um 1 Uhr starb zu Strassburg Professor Dr. Siegfried Goldschmidt. Geboren zu Kassel am 29. Oktober 1844, besuchte er die Universitaten Leipzig, Berlin, Tübingen (wo er am 20. August 1867 promovirte) und Göttingen. Zur Fortsetzung seiner Studien begab er sich nach Paris, wo er die handschriftlichen Schätze der Bibliothek eifrig ausbeutete, sich aber auch eine grosse praktische und wissenschaftliche Kenntniss der französischen Sprache verschaffte. Beim Ausbruch des Krieges 1870 eilte Goldschmidt sofort heim und stellte sich als Freiwilliger, obwohl er schon zur kurfürstlichen Zeit wegen Kurzsichtigkeit vom militärischen Dienst gänzlich befreit worden war. Bald kam er mit dem Ersatz wieder nach Frankreich, ein paar Tage zu spät, um noch an der Schlacht von Sedan Theil zu nehmen. Die Belagerung von Paris machte er von Anfang bis zu Ende mit. Am 20. April 1872 erhielt er, ohne sich vorher habilitirt zu haben, eine ausserordentliche Professur an der neuen Universitat Strassburg, welche er im Herbst des Jahres antrat. Im Sommer 1881 erkrankte Goldschmidt an einem Rückenmarksleiden, musste seine Lehrthätigkeit einstellen und hat an keiner Sitzung der Fakultat, der er seit dem 12. September 1881 als Ordinarius angehörte, mehr theilnehmen können. Das Leiden schritt langsam aber unerbittlich fort. Der einst so kräftige und bewegungsfrohe Mann ward ganz ans Bett gefesselt und immer mehr gelähmt, so dass der Tod eine Erlösung für ihn war. (Nach einer Notiz von Th. Nöldeke in der Elsass-Lothringischen Zeitung vom 1. Febr[uar] 1884.)3↑zweiter Brief Siebecks ] vgl. Hermann Siebeck an Vaihinger vom 3.5.1883, ferner Siebeck an Vaihinger vom 30.4.1883 (2) sowie Vaihinger an Eduard Zeller vom 13.6.1883.5↑Herrn Curator ] der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg: Karl Ledderhose (vgl. Korrespondentenverzeichnis), vgl. Karl Ledderhose an Vaihinger vom 7.6.1883 sowie Archives départementales du Bas-Rhin Strasbourg, 103 AL 768 (Personalakte Hans Vaihinger, angelegt im Juni 1883), Nr. 1 (1 S., hs. [Kanzlist], eU), Briefkopf Ministerium | für | Elsass-Lothringen (das Zeichen / signalisiert Absatz): Straßburg, den 5. Juni 1883. / Dem Kuratorium übersende ich auf den gefälligen Bericht vom 30. v. Mts. No 1405 anliegend ergebenst zur gefälligen Aushändigung die Bestallung nebst Begleitschreiben für den außerordentlichen Professor Dr. Hans Vaihinger hier. / Das Kuratorium ermächtige ich gleichzeitig dem Professor Dr. Vaihinger bis auf Weiteres eine Remuneration aus dem Fonds Titel 2 F. des Etats der Universitätskasse zahlen zu lassen. / Das Schreiben des Professors Siebeck in Basel folgt anbei zurück. / Der Staatssekretär / v Hofmann / An das Kuratorium der Kaiser-Wilhelms-Universität / I B. 333. hier.6↑Prof. Schöll ] Rudolf Schöll (1844–1893), Klassischer Philologe, seit 1875 o. Prof. in Straßburg (NDB).▲