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- TitleRichard Avenarius an Vaihinger, Leipzig, 19.12.1876, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 1 m, Nr. 4
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 1 m, Nr. 4
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Richard Avenarius an Vaihinger, Leipzig, 19.12.1876, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 1 m, Nr. 4
Geehrtester Herr Dr.!
Besten Dank für Ihren Brief[1], den ich, soweit ich ihn entziffern konnte, nun endlich beantworten will.
Es ist wohl kaum das erste Mal, daß über Spinoza ein besonderes Colleg gelesen wird, obgleich es allerdings das erste Mal sein dürfte, daß ein Privat-Colleg[2] über den großen Dogmatiker gewagt worden ist. Was mich hierbei anbetrifft, so bin ich mit dem Ausfall des Wagnisses recht zufrieden, u. da ich den Spinoza nach meiner Art behandle, habe ich auch selbst Freude u. Anregung von der Vorlesung.
Die Einrichtung meiner „Besprechungen“[3] ist die denkbar einfachste. Es wird ein § gelesen, dann nach dem Unklargebliebenen, bz[w]. dem zu Kritisirenden gefragt – u. so, indem ich dem jedesmal auftauchenden Bedürfnis folge, kommt zu Geltung, was gerade einem | Jeden am Herzen lag. Da ich die „Besprechungen“ auf meiner Stube halte, haben wir den Vortheil, meine kleine Bibliothek immer zu Belegen etc. benutzen zu können, sodaß sich manche Frage mehr beantworten läßt, welche, sich unerwartet stellend, sonst nur „im Allgemeinen“[a] bei ähnlichen Gelegenheiten behandelt werden müßte.
Die „neue philosoph[ische] Zeitschrift“, von der Sie mir Notiz zu geben die Güte hatten, erschien gleichzeitig als Ankündigung, z. B. in der „Augsburger Allg[emeinen] Zeitung“. Redacteur werde nur Dr Dr Zacharias u. Caspari[4] sein – ich denke, daß sich unsere beiden Zeitschriften[5] gar keine Concurrenz machen werden.
Ihre Habilitationsschrift[6] ist gewiß nunmehr fix und fertig u. sage ich Ihnen meinen Glückwunsch dazu. Das Thema ist ja ein vortreffliches – dabei Ihr Fleiß! Man kann auf Großartiges gespannt sein! Nur Eines sorge ich: daß Sie Ihre Gesundheit nicht genug in Acht nehmen! Seien Sie vorsichtig – seien Sie vorsichtig! Auch Ich habe zu büßen gehabt und | darf sie warnen!
Das Stiftungsfest[7] ist in der angenehmsten Weise verlaufen; auch Ihr Gruß – wenn ich nicht irre, war es ein problemduftiger[b]! – traf rechtzeitig ein. Ich glaube, Sie hätten am Fest eine besondere Freude gehabt u. wären jedenfalls der idealste Festpräses gewesen. Nun, vielleicht im nächsten Jahr? Lieder u. Berichte werden Ihnen mit Nächstem zugehen, wenn Sie nicht bereits Alles erhalten haben.
Wie gefällt Ihnen denn Strassburg?
Doch genug für heute – ich raube Ihre Zeit, u. auch die meine drängt. Feiern Sie ein fröhliches Weihnachts- u. Neujahrsfest! 1877 wird also für Sie das entscheidende Jahr werden – vivat! floreat![8]
Mit den besten Grüßen Ihr
R. Avenarius.
Leipzig. d. 19. Dec[ember] 1876.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑ein Privat-Colleg ] vgl. die Ankündigung im Vorlesungsverzeichnis der Universität Leipzig vom WS 1876/1877: Entwickelung und Erläuterung des Spinozischen Monismus: D. ph. Avenarius, Mittw. u. Sonnab. 5–6 U. privatim (https://histvv.uni-leipzig.de/dozenten/avenarius_r.html (1.8.2024)).3↑Einrichtung meiner „Besprechungen“ ] vgl. die Ankündigung für das WS 1876/1877: Philosophische Besprechungen: D. ph. Avenarius , in zu best. St. privatissime, aber gratis (https://histvv.uni-leipzig.de/dozenten/avenarius_r.html (1.8.2024)).4↑Dr Dr Zacharias u. Caspari ] die Rede ist von: Kosmos. Zeitschrift für einheitliche Weltanschauung auf Grund der Entwicklungslehre in Verbindung mit Charles Darwin und Ernst Häckel [!] sowie einer Reihe hervorragender Forscher auf dem Gebiet des Darwinismus hg. v. Otto Caspari, Gustav Jäger u. Ernst Krause. Leipzig: Ernst Günther (Karl Alberts). 1. Jg. 1877. Das 1. Heft von April zählt (neben Vaihinger) Otto Zacharias, Bremerhaven, unter den Mitarbeitern auf.▲