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- TitleVaihinger an Universitätskurator Gottfried Meyer, Halle, 26.3.1924, 1 S., Ts., keine eU, mit Beilagen: 1) Abschrift Gesuch Vaihingers über eine ehrende Anerkennung Arthur Lieberts (2 S., Ts.), 2) Abschrift von 10 Gutachten über Arthur Liebert (9 S., Ts.), Universitätsarchiv Halle-Wittenberg Rep 6, Nr. 1862 (Teil II)
- Creator
- Recipient
- ParticipantsArthur Liebert ; August Messer ; Wilhelm Dilthey ; Erich Adickes ; Erich Jaensch ; Gottfried Meyer ; Herman Nohl ; Johannes Müller ; Immanuel Kant ; Theodor Lessing ; Otto Liebmann ; Paul Menzer ; Paul Hensel ; Paul Natorp ; Alois Riehl ; Rudolf Stammler ; Theodor Litt ; Theodor Ziehen ; William Stern
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationUniversitätsarchiv Halle-Wittenberg Rep 6, Nr. 1862 (Teil II)
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Vaihinger an Universitätskurator Gottfried Meyer, Halle, 26.3.1924, 1 S., Ts., keine eU, mit Beilagen: 1) Abschrift Gesuch Vaihingers über eine ehrende Anerkennung Arthur Lieberts (2 S., Ts.), 2) Abschrift von 10 Gutachten über Arthur Liebert (9 S., Ts.), Universitätsarchiv Halle-Wittenberg Rep 6, Nr. 1862 (Teil II)
Halle, den 26. März 1924
Verehrtester Herr Geh. Oberregierungsrat!
Anbei beehre ich mich die besprochene Eingabe[1] an den Herrn Minister Ihnen zu übersenden, mit der Bitte, dieselbe nach Berlin zu befördern nebst Ihrer Empfehlung der Angelegenheit. Ich habe diese Eingabe auch Herrn Prof. Menzer vorgelegt, und er ist mit dem Inhalt einverstanden und hat dabei den besonderen Wunsch, Sie möchten die Güte haben, in Ihrem Begleitschreiben[a] die finanzielle Seite der Sache noch stärker zu betonen, als es in meiner Eingabe geschehen konnte.
Der Kontrolle halber sende ich Ihnen gleichzeitig die Originale der 10 Gutachten[2] zugunsten von Prof. Liebert. Es dürfte vielleicht am zweckmässigsten sein, diese Originale den Akten der Kantgesellschaft beim Kuratorium einzuverleiben, falls es sich nicht als notwendig herausstellt, die Originale selbst nach Berlin zu senden.
Mit herzlichem Danke für alle Ihre gütigen Bemühungen Ihr ganz ergebener[b] |
Abschrift
Gesuch des Geschäftsführers der Kantgesellschaft, Geh. Rat Prof. Dr. Vaihinger in Halle
über eine ehrende Anerkennung für Prof. Dr. Arthur Liebert gelegentlich der Kantjubiläumsfeier in Königsberg am 22. April d[iesen] J[ahre]s.
Herr Minister!
Gestatten Sie gütigst, dass ich Ihrem Wohlwollen folgende Angelegenheit unterbreite. Ich tue das nach vorheriger Rücksprache und im Einvernehmen mit den hervorragendsten Mitgliedern des Verwaltungsausschusses der Kantgesellschaft, speziell mit den beiden hiesigen Ordinarien der Philosophie, Prof. Dr. Paul Menzer und Prof. Dr. Theodor Ziehen. Wir sind darin einig, daß es sehr wünschenswert wäre, bei der bevorstehenden großen Kantfeier in Königsberg dem dort die Kantgesellschaft repräsentierenden Prof. Dr. Arthur Liebert eine Anerkennung zuteil werden zu lassen seitens der Staatsregierung, und zwar nicht blos wegen seiner langjährigen und äußerst erfolgreichen organisatorischen Arbeit für das Blühen und Gedeihen der Kantgesellschaft, sondern auch und vielleicht in erster Linie wegen seiner wissenschaftlichen Verdienste um die Verbreitung und Vertiefung der Kantschen Weltanschauung. Die beiliegenden Gutachten von zehn hervorragenden Ordinarien der Philosophie legen dafür ein deutliches Zeugnis ab, wie hoch Prof. Liebert überall wegen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit eingeschätzt wird. Daß er auch als Dozent eine bedeutsame Wirkung entfaltet, dafür spricht[c] | der Umstand, daß seine philosophischen Vorlesungen an der Handelshochschule auch von zahlreichen Universitäts-Studenten besucht sind, und ebenso seine ebenfalls an derselben Anstalt abgehaltenen Übungen, an denen auch solche mit Vorliebe teilnahmen, die in der Philosophie promovieren wollen.
Leider sind aber die aus dieser Tätigkeit an der Handelshochschule sich ergebenden Einnahmen für Prof. Liebert, der an der genannten Anstalt nur im Nebenamt beschäftigt ist, sehr gering; so bekam er für das ablaufende Wintersemester nur 232 Rentenmark. So ließe es sich vielleicht machen, daß ihm seitens des Hohen Ministeriums eine derartige Anerkennung zuteil würde, daß diese gleichzeitig eine Hebung seiner wirtschaftlichen Stellung zur Folge hätte.
Der unterzeichnete Geschäftsführer der Kantgesellschaft und die mit ihm hierin übereinstimmenden beiden anderen Ordinarien der Philosophie hier, fühlen es umso mehr als ihre Verpflichtung, hierauf aufmerksam zu machen, als Prof. Liebert selbst in seinem Idealismus und in seiner Selbstlosigkeit nichts dazu tut, um äußere Anerkennung durch die vorgesetzten Behörden zu erreichen. So dürfen dieselben dieses Gesuch dem Hohen Ministerium dringendst ans Herz legen, zumal es ja üblich ist, bei solchen festlichen Veranstaltungen, wie sie der 22. April bringt, besonders verdienten Männern die öffentliche Anerkennung auszusprechen. Selten wäre wohl eine Auszeichnung so gut motiviert, wie dies in Bezug auf Prof. Liebert der Fall ist, der über seiner wissenschaftlichen und organisatorischen Arbeit die Sorge für sich selbst und für seine Familie hintansetzt.
Mit der Bitte um hochgeneigte Berücksichtigung dieses Gesuches.
Halle, den 26. März 1924.
ehrerbietigst
gez[eichnet] Vaihinger
An den Herrn Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin |
Abschrift.
Gutachten über Professor Dr. Arthur Liebert
1. Von Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Paul Natorp in Marburg.
Marburg{, den} 24. Nov. 1923
[Hochgeehrter Herr Kollege!][d]
Den Wunsch, daß Herrn Prof. {Dr.} Liebert eine Anerkennung seiner Leistungen nicht bloß für die Kantgesellschaft, sondern auch für unsere Wissenschaft zuteil werde, teile auch ich; zumal wenn er[, wie ich aus Ihrem Schreiben schließen zu müssen glaube,] sich in ernstlicher Sorge um seine Existenz befindet. Allgemein hochgeschätzt sind ja seine Verdienste organisatorischer Art um die Kantgesellschaft und die Kantstudien, deren Erhaltung auf dem bisherigen rühmlichen Stande in dieser ernsten Zeit überaus schwer sein muß, aber auch um des internationalen Ansehens deutscher Wissenschaft willen ein dringliches Anliegen nicht bloß dieser, sondern des Vaterland{e}s ist. Aber auch die wissenschaftlichen Arbeiten Lieberts erfreuen sich ja allgemeiner Schätzung[, wofür Sie in Ihrem Schreiben Beweise geben, die mir z. T. unbekannt waren]. Zwar wird sich vielleicht nicht sagen lassen, daß er ganz neue Bahnen in unserer Wissenschaft eingeschlagen habe. Aber er hat mit feinem u{nd} richtigem Verständnis eine der heute einflußreichsten Arbeitsrichtungen[e], in gewissenhafter Nutzung, aber auch kritischer Weiterbildung des durch die großen, namentlich deutschen Philosophen Errungenen, in ausgezeichneter Weise vertreten und namentlich auch durch den ruhigen Fluß und die logische Sauberkeit, durch eine unaufdringliche innere Schönheit der Darstellung {auch} dem Verständnis [auch] solcher nahezubringen gewußt, die ohne solche Hilfe der strengeren Philosophie vielleicht verschlossen geblieben wären.
Ich kann daher das Gesuch, das Sie an den Herrn Minister zu richten beabsichtigen, von meiner Seite nur aufs wärmste unterstützen.
[In kollegialer Hochachtung Ihr sehr ergebener]
{gez.} Paul Natorp{.} |
2) von Professor Dr. Erich Adickes in Tübingen:
[Professor ADICKES | Tübingen 25/11 23. | Neckarhalde 58]
{Tübingen, den 25. November 1923.}
Herr Professor Dr. A{rthur} Liebert hat sich als stellvertretender Geschäftsführer der Kantgesellschaft große Verdienste nicht nur um die Gesellschaft und ihre Veröffentlichungen, sondern auch darüber hinaus um Erweckung philosophischer Interessen und Organisation der philosophischen Arbeit erworben. Das ist aber nur die eine Seite seiner Tätigkeit. Neben ihr steht gleichberechtigt seine wissenschaftliche Arbeit. Sie erstreckt sich auf sehr verschiedene Gebiete. Seine Werke haben z. T. mehrere Auflagen erlebt und erfreuen sich allgemeiner Anerkennung. Überall zeigen sie volle Stoffbeherrschung, Klarheit in der Gedankenführung, Sinn für das Wesentliche und vielfach neue Gesichtspunkte bei der Formulierung der Probleme. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn bei Gelegenheit des bevorstehenden Kantjubiläums Lieberts Leistungen die verdiente Anerkennung fänden, und zwar womöglich in einer Weise, die ihn der Sorge um seine materielle Existenz enthebt.
{gez.} Prof. Dr. Erich Adickes
3) Von Prof. Dr. August Messer[3] in Giessen:
[Gießen 22.XI 23]
[Gutachten.]
{Giessen, den 22. November 1923.}
Herrn Professor Dr. A. Liebert schätze ich auf Grund der Kenntnis seiner Hauptwerke nicht nur als einen gründlichen Kenner der neueren und neuesten Philosophie, sondern vor allem auch als einen selbständigen Denker von hervorragender Schärfe und Klarheit. Zugleich bekunden mir seine Schriften die pädagogisch überaus wertvolle, unter unseren Philosophen nicht allzu häufige Gabe verständlicher, ja über|zeugender und fesselnder Darstellung.
Ich halte Liebert für einen der bedeutendsten heutigen Vertreter des Neukantianismus; daß er sich dabei frei hält von jeder schulmäßigen Gebundenheit und Enge, halte ich für einen besonderen Vorzug.
{gez.} Dr. A. Messer
ord. Prof. d. Philosophie u. Pädagogik
a. d. Universität Giessen.
4) Gutachten von Prof. Dr. med. et. phil. Erich[f] Jaensch in Marburg:
[Marburg, 21.XI.23.]
[Weissenburgstr. 11]
[Hochgeehrter Herr Geheimrat! Wenn Sie sich dafür einsetzen, daß dem wissenschaftlich wie organisatorisch gleich verdienten stellv. Geschäftsführer der Kantgesellschaft Herrn Prof. A. Liebert eine späte Anerkennung zuteil werde, so werde ich mich einem dahin gehenden Antrag freudig anschließen und ihm meinerseits die wärmste Unterstützung widerfahren lassen.] Von O. Liebmann ursprünglich ausgegangen, suchte ich selbst mit dem freieren[g] Kantianismus, der nicht mit Scheuklappen einhergeht, sondern sich für alles[h] philosophisch Wichtige, namentlich für alles Neue einen offenen Blick bewahrt, immer in Fühlung zu bleiben. Unter denen, die mehr dem Geiste als dem Buchstaben nach im Sinne Kants weiterarbeiten, möchte ich Liebert mit an erster Stelle nennen. Frei von jedem Dogmatismus zu sein, ist ein besonderer Vorzug in einem Gebiet, auf dem vielfach dogmatische Erstarrung und schulmäßige Gebundenheit eingesetzt hat. In dieser Hinsicht schätze ich es besonders hoch ein, daß L. uns eine von diesen Eigenschaften freie Behandlung des Problems der Geltung beschert hat, die mir durch die Klarheit und die in dem Gebiet besonders hervorzuhebende Objektivität und Vielseitigkeit der Erörterung zur eigenen Orientierung wertvolle Dienste geleistet hat. [Über die beiden neueren Werke kann ich, da ich sie noch nicht gelesen habe, nicht urteilen.] Besonders viel hat mir sein kleiner Aufsatz über die philosophischen Anschauungen des Physiologen Johannes Müller gegeben, der zugleich zeigt, einen wie offenen Blick sich L. auch für Gegenstände bewahrt hat, die seinem Hauptarbeitsgebiet ferner liegen. Je bedeutsamer in der Naturphilosophie jetzt wieder Gedankengänge werden, die etwa d{enen} Müllers nahestehen u{nd} je höher m. E. in der Geistesge|schichte der Zukunft der tatsächliche Einfluß dieses großen Mannes bewertet werden wird, umso verdienstlicher scheint es mir, daß L. diese z. Z. ganz abliegende Frage angeschnitten hat.
Es gibt ja eine ganze Anzahl von Fachgenossen, die Liebert’s eigenen Arbeitsgebieten noch näher stehen und darum als Beurteiler kompetenter sein dürften wie gerade ich. Aber in einer Hinsicht ist vielleicht gerade jemand, der nur mit einem Fusse in der Kantischen Welt steht, mit dem anderen in der modernen Einzelwissenschaft, als Beurteiler in einem gewissen Vorteil: er ist keiner der Schulrichtungen verschworen, woran es gerade in der von Kant ausgehenden Philosophie nicht fehlt, und als ein zur einen Hälfte außerhalb des Kantianismus Stehender hat er oft ganz uninteressiert die Beobachtung machen können, wie lange die auf philosophischem Gebiet bestehende Divergenz der Ansichten oft die Anerkennung erfolgreicher Arbeit verzögert u{nd} wie viel schwerer es hier ist, sich durchzusetzen, wenn man die entsprechenden Verhältnisse mit anderen Wissenschaften vergleicht, denen unumstrittene Maßstäbe zur Bewertung wissenschaftlicher Leistungen zu Gebote stehen. – Ich möchte schließlich noch erwähnen, daß L. einmal bei der Besetzung der hiesigen 3.[i] Philosophenprofessur sehr ernsthaft in Erwägung gestanden hat. [– Gern gebe ich es Ihnen anheim, von diesem meinem Urteil den Ihnen zweckdienlich erscheinenden Gebrauch zu machen. Mit den besten Empfehlungen begrüße ich Sie, hochgeehrter Herr Geheimrat, als Ihr sehr ergebener]
{Marburg, den 21. November 1923.}
{gez.} E. Jaensch
5) Gutachten von Herrn Professor Dr. Herman Nohl in Göttingen:
[Prof. Dr. Herman Nohl]
[Göttingen 28/11 23]
[Baurat Gerberstr. 7]
[Hochgeehrter Herr Kollege,]
Ihre Mahnung, daß die Existenz Lieberts sichergestellt werden müsse, hat mich tief berührt. Ich kenne Herrn Liebert seit seiner Studentenzeit[j], wo er bei Dilthey arbeitete und habe von Anfang an den aufrichtigsten Respekt vor seinem wis|senschaftlichen Ernst und seinem gründlichen Denken, der Lauterkeit seines Wesens wie der Liebenswürdigkeit seiner persönlichen Art gehabt. Er ist seinen ganz eigenen wissenschaftlichen Gang gegangen, auch unter oft wohl schweren Verhältnissen und hat ganz ohne Zweifel eine bedeutungsvolle Stellung für die philosophische Kultur unserer Generation gewonnen. Ich war immer der Meinung gewesen, daß ihm jetzt die Professur an der Handelshochschule in Berlin eine wirtschaftliche Festigkeit gäbe. Wenn das, wie aus Ihrem Schreiben hervorgeht, nicht der Fall ist, würde ich das als wirkliche Notwendigkeit anseh{e}n, die ich auf das Dringlichste unterstützen möchte. Leider geht aus Ihrem Schreiben nicht hervor, welche Ehrung und Förderung Sie für Liebert bei dem Ministerium beantragen wollen, sodass ich hier nur ganz allgemein sagen kann, dass die Lebensarbeit Lieberts jede Hilfe und Anerkennung verdient, die das Ministerium zu geben vermag.
[In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener]
{Göttingen, den 28. November 1923.}
{gez.} Nohl{.}
6) Gutachten von Professor Theodor[k] Litt in Leipzig:
{den 30.11.23.}
Ich halte Herrn Prof. Dr. A. Liebert im Hinblick auf seine verdienstvolle wissenschaftlich-philosophische Tätigkeit einer Anerkennung und Förderung für durchaus würdig.
[Leipzig, den 30.11.23.]
{gez.} [Prof. Dr. Th.] Litt.
7) Gutachten von Prof. Dr. phil. et med. William Stern in Hamburg:
[Seminar für Philosophie | Psychologisches Laboratorium.]
[Hamburg 1, am 24.11.1923
[Domstraße 8/9.]
[Sehr geehrter Herr Geheimrat!]
{Hamburg, den 24. Nov. 1923.}
Ich hatte es schon immer sehr lebhaft bedauert, daß für Prof{essor} Liebert noch nicht die Lebensstellung geschaf|fen werden konnte, die ihm nach seinen wissenschaftlichen Leistungen längst geführt hätte und die es ihm ermöglichen würde, seine Arbeitskraft für weiteres philosophisches Schaffen frei zu machen. Vielleicht stand er sich selbst dadurch im Lichte, daß seine großen organisatorischen Verdienste um die Kantgesellschaft vor allem die Aufmerksamkeit auf sich zogen; aber es wäre ein großes Unrecht gegen ihn, darüber seine Würdigung als Denker und philosophischer Schriftsteller zurücktreten zu lassen. Als Philosoph gehört L. zu den Vertretern des kritischen Idealismus, die die großen Kantschen Gedanken in durchaus selbstständiger Weise auf die Problematik unserer Zeit übertragen. Seine Untersuchungen über das Problem der Geltung sind wegen ihres erkenntnistheoretischen Wertes mit Recht geschätzt. Endlich hat er sich als Kulturphilosoph mannigfach bewährt, indem er die großen kulturellen Bewegungen der Gegenwart in feinsinniger und kritischer Weise in ihrem philosophischen Gehalt untersuchte.
Das Kantjubiläum scheint mir ein besonders geeigneter Anlaß zu sein, um diesem, um die Kantbewegung in Deutschland und im Ausland so verdienten Manne zu zeigen, daß man seine wissenschaftliche Leistung zu würdigen weiß.
{gez.} [Dr.] W. Stern.
[o. Prof. d. Philos a. d. Univ. Hamburg]
8) Gutachten von Prof. Dr. phil. Paul Hensel in Erlangen:
[AKADEMIE AUF DEM BURGBERG E. V. … ERLANGEN; DEN]
{den} 30. Nov{ember} 1923.
[Sehr verehrter Herr Geheimrat!]
Ihrer freundlichen Aufforderung, über die wissenschaftliche Persönlichkeit des Herrn Prof. Liebert in Berlin mich zu äussern, komme ich umso lieber nach, als ich seit Jahren die Schriften dieses Herrn genau | kenne und sie stets wieder mit Vergnügen und Förderung zur Hand nehme. Sie stellen einen höchst interessanten Versuch dar, die Prinzipien der kritischen Philosophie mit den Erfordernissen unserer jetzigen philosophischen Bewegung zu confrontieren und die Punkte aufzuweisen, in denen es uns heute notwendig erscheinen muss, über Kant hinauszugehen, immer aber unter der Voraussetzung, daß wir, um in der historischen Continuität zu bleiben, diese Errungenschaften des kantischen Denkens auch für uns als maßgebend[l] betrachten müssen [und somit, um über Kant hinauskommen zu können, zunächst einmal uns den kantischen Standpunkt ganz zueigen gemacht haben müssen]. So ist denn auch die Hinwendung zur Metaphysik, die Liebert deutlich genug in seinen beiden Hauptwerken „Wie ist Metaphysik überhaupt möglich“ und „Die philosophische Krisis der Gegenwart“ vollzieht, eine solche, wie sie nur auf dem Boden der kantischen Philosophie gewonnen werden konnte. Sie bietet in ihrer reizvollen Darstellung und der Fülle der Ausblicke, die sie eröffnet, entschieden einen der wertvollsten Beiträge zur Geschichte des deutschen Idealismus in unseren Tagen, die es beanspruchen können, weit größere Interessen als nur die der augenblicklichen Situation zu geben, denen sie freilich mit entwachsen ist. Nehme ich hierzu die unermüdliche Tätigkeit Lieberts zur Ausbreitung und Festigung der deutschen Kantgesellschaft, durch die es bisher zum guten Teil möglich geworden ist, diese wichtige Institution über alle Fährnisse[m] der Zeit hinweg zu steuern, ferner die äusserst geschickte und erfolgreiche Leitung der Kantstudien, die ihm so viele wertvolle Beiträge in ihren Seiten verdanken; ziehen wir ferner die erfolgreiche Lehrtätigkeit, die Prof. Liebert in langen Jahren in Berlin entfaltet hat und durch die er dem deutschen Idealismus in den Kreisen der Gebildeten immer neue Scharen[n] von Anhängern zuzuführen weiß, in Betracht, so ist der Wunsch wohl begreiflich, | daß es sich ermöglichen lassen sollte, an dem Jubiläum von Kants Geburt, das wir demnächst zu feiern uns anschicken, eine öffentliche Anerkennung des Gelehrten, des Lehrers und des Schriftleiters erfolgen zu lassen. Ich glaube, daß eine solche Ehrung in den weitesten Kreisen auf Beistimmung und Zustimmung rechnen könnte.
Indem ich Sie ermächtige, von diesen meinen Worten den Ihnen gut scheinenden Gebrauch zu machen, bin ich {… usw.} [mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ganz ergebner]
{gez.} Paul Hensel[.]
[Privatim möchte ich noch hinzufügen, dass ich Ihnen sehr für die freundlichen Worte die Sie an mich und meine Frau zu richten die Güte hatten, herzlich danke und Ihnen sagen möchte, dass die Tage unsres Zusammentreffens hier auch für uns Tage freundlichster Erinnerung sind. Mit den besten Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin bin ich]
[P. H.]
9) Gutachten von Geh. Justizrat Prof. Dr. jur. Dr. phil. h. c. Rudolf Stammler in Berlin-Wernigerode:
Wernigerode{, den} 17. Dezember 1923.
[Mettestr. 11.]
Sehr geehrter Herr Kollege!
Ihr günstiges Urteil über die wissenschaftliche Fähigkeit und Tätigkeit des Herrn Prof. Dr. Arthur Liebert teile ich vollständig.
Alle seine Bücher und Abhandlungen, die mir bekannt geworden sind, beherrschen die behandelten Probleme vollkommen, geben sorgfältig und gut aufgebaute Gedanken und eine sehr klare Art der Darstellung. Besonderen Wert hat ihr Verfasser dabei auf gesicherte Fragestellung und Methode gelegt. In dieser Hinsicht kommt das Buch über die Möglichkeit der kritischen Philosophie und die Werke zum Problem der Geltung besonders in Betracht. Namentlich möchte ich auf das Buch vom „Geiste der Revolution“ hinweisen, das meines Erachtens zum Besten gehört, was über die Frage veröffentlicht worden ist.
Prof[essor] Liebert hat auch im mündlichen Vortrag und Unterricht sich bewährt. Seine Abhandlung über Philosophie in der Schule (S.-A. aus „Das Buch der Erziehung“ 1922, S. 164–213) zeigt den nachdenkenden Pädagogen. An | der Lessing-Hochschule in Berlin hat er eine rege Vorlesungstätigkeit über Philosophie entfaltet. Aus den Sitzungen der Kantgesellschaft ist er jedem Teilnehmer als gewandter und klar ordnender Debatter[o] bekannt.
Ich habe in meinem Lehrbuch der Rechtsphilosophie mehrfach auf die Schriften Lieberts hingewiesen, so §§ 66,8; 68,3; 98,2; 125,3; 144,5; 172,2.
Von meiner vorstehenden Würdigung der wissenschaftlichen und lehrenden Persönlichkeit Lieberts können Sie auch Dritten gegenüber Gebrauch machen.
Mit freundlichen Grüßen {… usw.} [Ihr hochachtungsvoll ergebener]
{gez.} Rudolf Stammler{.}
10) Gutachten von Geh. Reg. Rat Prof. Dr. A. Riehl in Berlin:
{Berlin-}Neubabelsberg, [Bergstr. 3] d{en} 10.III.24[.]
[Hochgeehrter Herr Kollege!]
[Was mögen Sie von mir gedacht haben, daß ich Ihr so dringendes Schreiben bisher nicht beantwortet habe. Ihr Brief vom 23 v. M. traf in einer sehr ungelegenen Zeit ein. Ich lag an einer „Grippe“ krank, deren Nachwirkungen ich selbst heute noch nicht völlig überwunden habe. Nun werden Sie gewiß Ihr Gesuch, Prof. Liebert betreffend, inzwischen längst überreicht haben – und meine Zustimmung, die eine vollständige ist, kommt zu spät.]
Ich teile völlig Ihre Beurteilung der Liebertschen Arbeiten[p] und der Persönlichkeit Lieberts, und eine Anerkennung seiner wissenschaftlichen Verdienste [, wie Sie und Kurator Meyer beantragen] ist durchaus begründet. Schon die bloße Aufzählung seiner zahlreichen Schriften, die alle einen einheitlichen Zweck verfolgen, wäre ein geeigneter Grund, den Philosophen nach Gebühr auszuzeichnen.
Liebert hat eine außerordentliche Produktivität entfaltet und nach seinen, wiederholt aufgelegten Hauptschriften – das Problem der Geltung vor allem – hätte er zu einem planmäßigen Professor der Philosophie vorgeschlagen werden sollen. Wenige der jüngeren Fachgenossen, und zu den Jüngeren zählt er mit seinen 45 Jahren noch immer, kommen ihm an wissenschaftlichem Erfolge gleich.
[Ob sich der Finanzminister bereit finden lassen wird, Liebert ohne Fakultätsvorschlag ein Gehalt zu bewilligen, steht freilich dahin.]
[Dem ungeachtet haben Sie volles Recht, wenigstens den Versuch zu machen.]
[Mit dem herzlichen Wunsch auf Erfolg Ihres Gesuches und der Bitte mich dem Herrn Kurator Dr Meyer angelegentlich zu empfehlen bin ich mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster College]
{gez.} A. Riehl.
Kommentar zum Textbefund
a↑in Ihrem Begleitschreiben ] vgl. die Aktennotiz vom 26.3.1924 im Namen des Universitätskurators unter dem Brieftext: 1) Auf besonderem Umschlag zur anliegenden Eingabe an den H. Minister und den dieser beizufügenden Abschriften der Gutachten über Professor Liebert ist zu setzen: Urschriftlich nebst 2 Anlagen Dem Herrn Minister pp. zu Berlin. (äußere Aufschrift: An Herrn Min. Rat, Prof. Dr. Richter) mit wärmster Befürwortung auch in meiner Eigenschaftc↑spricht ] darunter Kustode der; im weiteren Verlauf wird auf diesen Nachweis verzichtet. Die Beilagen sind ab der 2. S. paginiert.d↑[Hochgeehrter Herr Kollege!] ] eckige Klammern signalisieren im weiteren Verlauf Auslassungen der Abschriften im Vergleich zu den Vorlagen (UAHW Rep. 6, Nr. 1864); geschweifte Klammern signalisieren Hinzufügungen in den Abschriften.Kommentar der Herausgeber
2↑Originale der 10 Gutachten ] überliefert in UAHW Rep. 6, Nr. 1864, mit Deckblatt: Originale von 10 Gutachten über Prof. Liebert nebst beigelegter Kopie / Da die Originale teilweise in Briefform abgefasst sind, so sind in diesen Fällen bei den Kopien die Eingangsworte und die Schlussworte weggelassen worden.3↑Von Prof. Dr. August Messer ] vgl. das zugehörige Anschreiben (Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 9 c: Giessen 22 XI 23 / Herrn Geheimrat Dr. Vaihinger Halle / Hochverehrter Herr Kollege! / Gerne komme ich Ihrem Wunsche nach. Ich bitte Sie über das beigefügte Gutachten zu dem bewußten Zwecke zu verfügen. Ich möchte wünschen und hoffen, daß Herrn Kollegen Liebert die lange verdiente Anerkennung zuteil wird. / Besten Dank auch für Ihre beigefügten freundlichen Zeilen. / Mit kollegialer Hochachtung u ergebensten Grüßen Ihr / Prof. Messer.▲
