Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 18.5.1914, 3 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf KANTGESELLSCHAFT. | GESCHÄFTSFÜHRER: GEH.-RAT PROF. DR. VAIHINGER, HALLE A. S. | STELLVERTRETENDER GESCHÄFTSFÜHRER: | DR. ARTHUR LIEBERT, BERLIN W. 15, FASANENSTRASSE 48. | Halle a. S., d. … 19, Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 253–254 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationUniversitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 253–254 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Vaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 18.5.1914, 3 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf KANTGESELLSCHAFT. | GESCHÄFTSFÜHRER: GEH.-RAT PROF. DR. VAIHINGER, HALLE A. S. | STELLVERTRETENDER GESCHÄFTSFÜHRER: | DR. ARTHUR LIEBERT, BERLIN W. 15, FASANENSTRASSE 48. | Halle a. S., d. … 19, Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 253–254 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
18. Mai 1914[a]
Hochzuverehrender Herr Geheimer Oberregierungsrat!
Dr. Ludwig Goldschmidt in Gotha[1] ist ein bekannter Querulant, der an literarischem Verfolgungswahn leidet. Schon auf der Tagung der Kantgesellschaft wurde mir von der Broschüre erzählt.
Ich kenne Herrn Dr. Ludwig Goldschmidt seit ca. 15 Jahren. Er kam damals zu mir, um mich um Rat zu bitten. Ich habe ihm damals für seine erste mathematisch-|philosophische Schrift einen Verleger verschafft. Nochmals traf ich mit ihm einmal zufällig[b] in Gotha zusammen. Schon damals machten sich die Anzeichen seiner pathologischen Veranlagung geltend. Seine ins Krankhafte gehende Eigenart erhellt deutlich aus meinem Artikel „Der Fall Goldschmidt“ in den Kantstudien Band VI S. 121–123. Da dieser Band noch nicht auf dem Kuratorium sich befindet, wo erst die Bände seit 1904 aufbewahrt sind, so beehre ich mich, diesen Band VI beizulegen.
Von dem Schreiben des Herrn G. habe ich eine Abschrift machen lassen, die ich Herrn Prof. Bauch senden werde, in dessen Ressort die übrigen Beschwerden des Herrn G. gehören. |
Es wäre Zeitverschwendung, sich mit den Querelen des Herrn G. näher zu befassen, dessen Brief und Broschüre[2] ad acta gelegt werden können.
Ew. Hochwohlgeboren verehrungsvoll ergebenster
Vaihinger
Kommentar zum Textbefund
a↑18. Mai 1914 ] darunter sowie links daneben Vermerke von anderer Hd.: 19/V. 14 | Z[u] d[en] A[kten]Kommentar der Herausgeber
1↑Dr. Ludwig Goldschmidt in Gotha ] vgl. in derselben Akte Ludwig Goldschmidt an Gottfried Meyer (Bl. 255–257): Gotha, 25.4.1914 Ew. Hochwohlgeboren verzeihen, wenn ich meiner Schrift: „Verwahrung gegen die Behandlung Kants in Lehre u. Schrift“ einige erklärende Worte folgen lasse, die sich an Sie als den Vorsitzenden der Kantgesellschaft richten. Ich darf Ew. Hochwohlgeboren nicht mit allen Erfahrungen behelligen, die ich mit der Redaktion der Kantstudien vor Jahren gemacht habe u. die mich in der Erinnerung noch heute ebenso empören, wie die „philosophischen Erlebnisse“ an anderen ähnlichen Stellen. Es war s[einer] Z[eit] unmöglich, eine Verteidigung Kants gegen Fr[iedrich] Paulsen, ebenso auch nur eine Entgegnung von wenigen Zeilen in den Kantstudien zu veröffentlichen, ebensowenig eine Widerlegung, um die mich ihr Redakteur selbst gebeten hatte. Auf meine Gegenwirkung an anderer Stelle erschien ein Exposé in den Ktst. im Stile der Tagespresse: „Der Fall G[oldschmidt]“, das mit deutlich erkennbarer Absicht an meinen Verleger gesandt wurde. Jener Artikel gegen Paulsen ging nach Marburg, | wo mir das Erscheinen zu bestimmter Zeit versprochen wurde. Der Artikel wurde gesetzt, von mir korrigiert, erschien aber erst ¼ Jahr – in der Zwischenzeit war von Prof. Cohen ein Aufsatz gegen Paulsen in einer anderen Zeitung erschienen. Die Wirkung war, dass mein Aufsatz so beurteilt wurde, als ob er in der Gefolgschaft Marburgs geschrieben wäre. Noch wunderbarer erging es mir in den Preuss[ischen] Jahrbüchern, bei denen ein Aufsatz, der später in Königsberg unter dem Titel „Kantorthodoxie u. kritische Freidenker“ gedruckt wurde, längere Zeit (wohl ¼ Jahr) lag. Nach „reiflicher Erwägung“ wurde er abgelehnt – seine Gedanken durften aber nicht verloren gehen. Unter dem Titel „Kantorthodoxie“ kam in den Jahrbüchern ein Aufsatz von Ferd[inand] Jakob Schmidt, der den Eindruck der Doppelgängerschaft machte, meiner wurde keine Erwähnung gethan. – Diese seltsamen Erfahrungen werden noch übertroffen durch eine „lobende Kritik“ meiner Kritischen Aufsätze in den „Kantstudien“ (Bd. XV Heft 4). Der offenbar jugendliche | Rezensent hat es sichtlich gut gemeint, aber das dürfte wohl in der Litteratur trotz aller philosophischen Häkeleien einzig dastehen, dass eine Redaktion eine Schrift lobend kritisieren lässt, die eben gegen sie wesentlich mitgerichtet ist u. dass dabei ein gegen die Kantstudien gerichteter u. als solcher kenntlich gemachter Aufsatz besonders namhaft gemacht wird, ohne dass die Kantstudien es für nötig halten, sich wegen der gegen sie wendenden Angriffe zu verantworten. Der Aufsatz wird dort als gegen „neue u. alte Gegner“ der Kritik d[er] r[einen] V[ernunft] gerichtet bezeichnet, von mir als „gegen die Kantstudien polemisierend“ im Vorwurf besonders erwähnt, soll man nun die Kantstudien zu den alten oder den neuen Gegnern der Kritik rechnen? Ew. Hochwohlgeboren werden es nach solchen Erfahrungen – sie sind nicht die einzigen – begreiflich finden, wenn ich immer von neuem meine Auffassung, die ich nicht als blosse Meinung anzusehen bitte, zur Öffentlichkeit bringe, es findet sich in meiner „Verwahrung“ | kaum ein Gedanke, den ich nicht in den von den Kantstudien ohne Verständnis gelobten Aufsätzen ausgesprochen hätte. Mögen Ew. Hochwohlgeboren diese Ausführungen verzeihen, vor allem aber versichert sein, dass alle diese kleinlichen Vorkommnisse mein Urteil nicht affiziert haben. Der heutige Weg zu vernünftiger Philosophie zu kommen, ist ein verkehrter. Kant wie im Altertum Plato kannten die Jugend, beide Männer suchten sie vor der Kunst zu schützen, die aus weiss schwarz machen kann. Unsere heutige Philosophie bietet den Anblick der Sophistik u. nichts kann den Menschenfreund mehr bekümmern als die Thatsache, dass die Jugend zu voreiligem Urteil geradezu angeleitet wird. Ich bin mit vorzüglicher Hochachtung ganz ergebenst Dr Ludwig Goldschmidt, Gymn[asial] Oberlehrer2↑Broschüre ] der Akte ist beigebunden: Ludwig Goldschmidt: Verwahrung gegen die Behandlung Kants in Lehre und Schrift. Von Professor Dr. Ludwig Goldschmidt. Beilage zum Bericht über das Schuljahr 1913/1914. Gotha: Engelhard-Reyhersche Hofbuchdruckerei 1914 (Herzogliches Gymnasium Ernestinum zu Gotha. Programm Nr. 1010). 30 S., dazu eine weitere Seite mit Anzeigen weiterer Schriften des Verfassers.▲