Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 24.5.1913, 10 S., hs. (andere Hd., mit eU), Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 213–217 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationUniversitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 213–217 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Vaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 24.5.1913, 10 S., hs. (andere Hd., mit eU), Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 213–217 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
Halle (Saale) den 24. Mai 1913.[a]
Hochzuverehrender Herr Geheimer Oberregierungsrat!
Auf die Beschwerde des Herrn Professor Fester[1][2] beehre ich mich ganz ergebenst folgendes zu erwidern:
1. In der Form des Ersuchens an Herrn Prof. Fester, ein Preisrichteramt[3] zu übernehmen, kann ich etwas beleidigendes nicht erblicken. Auch habe ich den etwaigen Eindruck, es werde auf die Annahme dieses Ersuchens kein sonderliches Gewicht gelegt durch meinen Brief an Herrn Professor Krueger vom 2. Mai wie ich glaube hinreichend widerlegt. Da dieser Brief bei den Akten liegt, so genügt es, wenn ich mich hier einfach auf ihn beziehe.
2. Der kurze Brief an Herrn Prof. Krueger, in welchem ich mich über die Weglassung des ersten Teils meines, an Herrn Prof. Fester gerichteten Briefes, in der Antwort des letzteren an Prof. Krueger wunderte, war nur für Herrn Prof. Krueger | selbst bestimmt. In der von mir gebrauchten Wendung: es sei bei einem Historiker auffallend, daß er den ersten Teil meines Briefes weggelassen habe, liegt nichts Beleidigendes: ich habe nicht den von Herrn Prof. Fester gebrauchten Ausdruck verwendet: er habe den ersten Teil des Briefes „unterschlagen“. Ich habe das weder gesagt noch auch nur gedacht. Wenn ich überhaupt über das Motiv der Weglassung des ersten Teils etwas gesagt hätte, dann hätte ich mich so ausgedrückt, daß er ihn irriger Weise als unwesentlich betrachtet habe, denn bei wiederholtem Lesen wird man finden, daß der erste Teil des Briefes durchaus notwendig ist, um den zweiten Teil nicht mißzuverstehen: die Zeitungsnachrichten, so weit sie mir bekannt geworden sind, enthielten nur die Mitteilung, daß die Professoren Meinecke und Spranger ein Preisrichteramt übernommen haben; die ganze übrige Vorgeschichte wurde in den Zeitungen nicht mitgeteilt. Es ist also ein objektiver Irrtum von Herrn Prof. Fester, daß Herr Prof. | Krueger über die Vorgeschichte der Preisaufgabe ja schon aus den Zeitungen habe orientiert sein können. Prof. Krueger, welcher ein paar Tage vorher aus Amerika[4] zurückkehrte, konnte schon aus diesem Grunde nichts Näheres wissen. Daß ich daher meiner Verwunderung über die Weglassung des ersten Teils Ausdruck gab, ist verständlich und enthält, wie gesagt, weder der Absicht noch der Form nach, etwas Beleidigendes. Ich bedaure es aber, wenn dadurch Herr Prof. Fester zur Annahme der Absicht einer Beleidigung veranlaßt wurde, welche durchaus nicht vorlag.
3. Nachdem ich nun diese beiden rein formellen Punkte, als erledigt betrachten darf, gehe ich zum dritten Punkte über, welcher die Hauptsache enthält.
Die Anregung zur Stellung der Preisaufgabe ging von Herrn Dr. Thimme[5] aus, welcher sich auch bereit erklärte, seinerseits, durch seine eigene und alleinige Tätigkeit, die Mittel zur Stellung der Preisaufgabe zu | beschaffen,[b] durch eine Sammlung von Beiträgen bei denjenigen, welche sich für die Theodor von Schön-Frage interessieren. Die Preisaufgabe war nämlich ursprünglich direkt auf Theodor von Schön zugeschnitten. Herr Dr. Thimme hatte eben mit Rücksicht auf dieses Schön-Problem sich seinerseits gerade mit dem ihm befreundeten Professor Meinecke[6] in Freiburg in Verbindung gesetzt, ebenso später mit Prof. Spranger[7].
Als es ihm nicht gelang, die Mittel zusammenzubringen, und er deshalb die Preisaufgabe auf das Jahr 1914 verschieben wollte, schlug ich ihm vor: die Kantgesellschaft solle mit Rücksicht auf das Jubiläumsjahr 1913 die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen; wobei dann gleichzeitig das Thema verallgemeinert wurde, so daß es jetzt nicht mehr allein auf Theodor von Schön hinausläuft.
Als ich selbst die Verhandlungen in die Hand nahm, hatte ich also nicht carte blanche, sondern ich fand schon die Namen | Meinecke und Spranger vor.
Ich habe nun schon für 6 Preisaufgaben der Kantgesellschaft je 3 Preisrichter zu gewinnen gehabt und glaube, deshalb einige Erfahrung in diesem Punkte zu haben. Bei den oft so gegensätzlichen Verhältnissen der Gelehrten untereinander kann man nicht einfach ohne weiteres gleichzeitig 3 Gelehrte A., B. u. C. auffordern zur Übernahme eines Preisrichteramtes, da man oft nicht weiß, wie sie zu einander stehen. Man fordert dann am besten zuerst den A. auf, schlägt ihm gleichzeitig den B. vor und schlägt dann, wenn A. u. B. annehmen, diesen beiden den C. vor; oder man überläßt es auch dem A. u. B. einen dritten zu kooptieren.
Hätte ich letzteres Verfahren eingeschlagen, so hätte ich keine Garantie dafür gehabt, daß die Herren Meinecke und Spranger gerade Herrn Prof. Fester gewählt hätten; es lag mir nun aber ausdrücklich | daran, daß Herr Prof. Fester in die Preisrichterkommission hereinkommt. Durchaus unmöglich wäre aber das Verfahren gewesen, ohne Vorwissen der beiden genannten Herren, Herrn Prof. Fester um Übernahme eines Preisrichteramtes zu ersuchen. Es blieb mir unter den von Herrn Dr. Thimme geschaffenen Verhältnissen gar kein anderer Modus übrig, als der von mir eingeschlagene. Ich wüßte garnicht, welches andere Verfahren in einem solchen Fall gewählt werden könnte. Ich kann deshalb in dem von mir befolgten Weg durchaus nichts Ordnungswidriges oder gar Beleidigendes finden.
Nebenbei sei bemerkt, daß Herr Prof. Spranger, welcher im Jahre 1911 als Extraordinarius nach Leipzig berufen worden ist, schon im Jahr 1912 daselbst zum Ordinarius ernannt wurde, und jetzt auch wieder als solcher in München primo loco vorgeschlagen ist. Er steht also im Rang, sowohl dem Herrn Prof.[c] Fester als dem Herrn Prof. Meinecke | völlig gleich.
Eine Beeinträchtigung der hiesigen Universität kann ich in dem von mir eingeschlagenen Verfahren durchaus nicht erblicken. Im Gegenteil: Gerade um eine Beeinträchtigung der hiesigen Universität zu vermeiden, habe ich meinerseits den Herren Meinecke und Spranger vorgeschlagen, ich wolle Herrn Prof. Fester auffordern. Hätte ich aber Herrn Prof. Fester nicht aufgefordert, dann hätte man mir wohl einen Vorwurf machen können; ich habe ja aber meinerseits alle dazu nötigen Schritte getan, um Herrn Prof. Fester Gelegenheit zu dem für die Sache erwünschten Eintritt in die Preisrichterkommission zu geben.
Als ich dem Herrn Prof. Fester durch Herrn Prof. Krueger die Mitteilung machte, daß die Herren Prof. Meinecke und Spranger ihrerseits ihre Übereinstimmung mit meiner Aufforderung ausgesprochen haben, tat ich es zu dem Zweck, um damit eben dem Prof. Fester den Beweis zu liefern, daß ich meine Aufforderung an ihn nicht nur rein | formell gemeint hatte, sondern daß ich ernstlich schon das Nötige getan hatte, um den Plan auch wirklich zu realisieren. Meine gute Absicht ist also zu meinem großen Bedauern von Herrn Prof. Fester ganz verkannt worden.
Diese meine gute Absicht habe ich noch weiter bekundet. Am 12. Mai (Nachmittag ½ 7) machte ich Herrn Prof. Fester einen Besuch, um die Sache persönlich zu regeln. Da ich ihn nicht antraf, sandte ich ihm am 13. Mai früh den folgenden Brief:
13.V.13.
Hochgeehrter Herr Kollege!
Nach Rücksprache mit Herrn Kollegen Krueger und in Übereinstimmung mit ihm halte ich es für das Beste, wenn ich versuche, durch eine persönliche Aussprache die obwaltenden Mißverständnisse zu lösen, insbesondere durch ausführlichere Mitteilungen über die Vorgeschichte der Preisaufgabe, da die Sache | jetzt[d] keinen Aufschub mehr duldet, so möchte ich mir zugleich persönlich Ihren Bescheid holen. Ich bitte Sie daher höflichst um gütige Mitteilung an die Überbringerin, ob es Ihnen vielleicht genehm wäre, wenn ich heute zwischen 11 u. 12 Uhr bei Ihnen vorsprechen würde.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
gez. Vaihinger
Da mein Bote[e] den Herrn Prof. Fester nicht antraf, ging ich um 11 ½ nochmals persönlich in seine Wohnung, und da ich ihn nicht zu Hause fand, hinterließ ich, ich würde Nachmittag 5 Uhr zu ihm kommen. Zuvor erhielt ich jedoch folgende kurze Mitteilung auf einer Visitenkarte: Prof. Fester „bedauert, da er die Angelegenheit bereits dem Verwaltungsausschuß der Kantgesellschaft übergeben hat, auf eine persönliche Besprechung verzichten zu müssen.“ – Hiezu habe ich nur noch folgendes zu bemerken:
Ich möchte glauben, daß eine persönliche Rücksprache auch noch zu dieser Zeit möglich gewesen | wäre um die Sache rasch und im günstigen Sinne beizulegen.
In meinem letzten Brief an Herrn Prof. Fester hatte ich ausdrücklich bemerkt, „daß die Sache jetzt keinen Aufschub mehr dulde“. Das ablehnende Verhalten des Herrn Prof. Fester veranlaßte mich, in Übereinstimmung mit den Herren Meinecke und Spranger an Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Lenz[8], Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin, zu schreiben, und ihn um Übernahme des 3. Preisrichteramtes zu ersuchen. Nebenbei bemerkt stand ich bisher weder direkt noch indirekt mit ihm in irgend welcher Verbindung. Ich erhielt von ihm folgende Antwort[9]:
Hochverehrter Herr Kollege!
Das ehrenvolle Anerbieten, eine Stelle als Preisrichter einer von Ihrer Gesellschaft ausgeschriebenen Aufgabe darf ich nicht ausschlagen. So wenig ich mich als Richter über Kantische Spekulationen sehen darf, werde ich doch, zumal in der Deckung durch Eduard Spranger einem Thema gegenüber, das wesentlich historisch gewandt ist, es wagen können.
Indem ich dann Ihnen, hochverehrter Herr Kollege, für das in mich gesetzte Vertrauen bestens danke, bin ich
in aufrichtiger Verehrung
Ihr ganz ergebener
gez. Lenz
Ergebenst
Vaihinger[f]
Kommentar zum Textbefund
a↑Halle (Saale) den 24. Mai 1913. ] mit Deckblatt (Bl. 212): An den Vorstand der Kantgesellschaft | den Kurator der Universität Halle. | Antwort auf die Beschwerde | des Herrn Professor Fester. Mit Aktennotiz: d[er] K[urator] d[er] U[niversität] | Halle a/S., den 7 Juni 1913. | Mündlich erledigt; z[u] d[en] Akten. Darunter Namenskürzel Gottfried Meyer.Kommentar der Herausgeber
1↑Professor Fester ] Richard Fester (1860–1945), vgl. https://www.catalogus-professorum-halensis.de/festerrichard.html (30.9.2024)2↑Beschwerde des Herrn Professor Fester ] vgl. in derselben Akte den Vorgang 2131/13, Bl. 202–212 (das Zeichen / signalisiert Zeilenwechsel): Richard Fester an Kurator Gottfried Meyer vom 12.5.1913: Sehr geehrter Herr geheimer Regierungsrat. / Ich bin zu meinem Bedauern genötigt dem Verwaltungsausschuß der Kantgesellschaft eine Beschwerde über die Geschäftsführung des Herrn Geheimrat Vaihinger zu unterbreiten. / Am 29.IV erhielt ich von Herrn V. den als Beilage 1 folgenden Brief vom 28.IV (die Abschrift Beilage […] stimmt im Wortlaut nicht ganz ü[berein).] / Ich sah mich dadurch zu einem Briefe an Herrn Kollegen Krueger [als Mitglied des Verwaltungsausschusses] vom 29.IV veranlaßt (Beilage 2), durch den ich festzustellen wünschte, ob die beleidigende Form der Anfrage vom 28. auf Rechnung der Kantgesellschaft oder ihres Geschäftsführers zu setzen sei. / Die Stellungnahme Herrn Vaihingers zu meinem Briefe ist aus 5 Briefen desselben an Herrn Kollegen Krueger vom 30.IV, 1. 2. 3. und 8. Mai (Beilage 3–7) ersichtlich. / In Beilage 3 fügt Herr Vaihinger der ersten Beleidigung eine zweite hinzu. Durch die Insinuation, | daß ich die erste Hälfte seines Briefes vom 28.IV in meinem Briefe an Herrn Coll. Krueger unterschlagen hätte, obwohl er sich sagen mußte, daß ich einem orientierten Mitgliede der Kantgesellschaft die Vorgeschichte der Preisaufgabe, die in den Zeitungen gestanden hatte, nicht anzuschreiben brauchte und mich lediglich durch die Form der Anfrage beleidigt fühlte. / In den folgenden Briefen sucht Herr V. zwar einzulenken, teilt aber zugleich in Beilage 6 am 3. Mai ein neues Faktum mit, das mich nach reiflicher Überlegung veranlaßt, dem Verwaltungsausschuß meine Beschwerde vorzulegen, weil es sich jetzt nicht nur um meine Person, sondern das Ansehen unsrer der Kantstiftung verbundenen Universität handelt. / Herr Vaihinger hat, wie er in Beilage 6 berichtet, die Zustimmung der Herren Meinecke und Spranger zu der Übertragung des dritten Preisrichteramtes auf mich eingeholt. / So viel ich weiß, ist es bei Preisaus|schreiben stets üblich gewesen, daß die betreffende Gesellschaft oder Commission die Preisrichter wählt, beziehungsweise bestimmt. Der aufgeforderte Preisrichter kann das Amt ablehnen, aber er wird nicht gefragt, ob er mit den andern Preisrichtern einverstanden ist. Die Anfrage Herrn Vaihingers in Freiburg und Leipzig bei zwei Kollegen, von denen der eine Ordinarius von 1901, der andere m. W. Extraordinarius von 1912 (!) ist, verstößt nicht nur gegen die guten Sitten, sondern ist dem Ansehen unsrer Universität abträglich. Durch die nachträgliche Erklärung des Herrn Vaihinger, daß ich ihn mißverstanden habe, kann dieses bedauerliche Faktum nicht aus der Welt geschafft werden. / In ausgezeichneter Hochachtung Ergebenst Professor Dr. Richard Fester. – Vaihinger an Fester vom 28.4.1913 (nicht eigenhändig): Sehr geehrter Herr Kollege! / Vor geraumer Zeit legte Herr Bibliothekar Dr. Thimme in Hannover der Kant-Gesellschaft nahe, eine Preisaufgabe zu veranlassen über den Einfluß der Kantischen Philosophie auf die Männer der Reformzeit mit spezieller Rücksicht auf Theodor von Schön. Wir überließen es ihm dann, die Sache bis zur Generalversammlung der Kant-Gesellschaft selbst vorzubereiten. Und so hat er die Angelegenheit mit seinem | Freund Prof. Meinecke in Freiburg auch beraten, sowie auch mit dem Philosophen Prof. Spranger in Leipzig. Diese beiden haben sich ihm gegenüber auch vorläufig bereit erklärt, das Preisrichteramt zu übernehmen. / In der Generalversammlung der Kant-Gesellschaft an 19. April hat die Gesellschaft den Vorschlag der Preisaufgabe angenommen und die Weiterführung der Angelegenheit selbst in die Hände genommen. Als Geschäftsführer der Kant-Gesellschaft habe ich deshalb die Verhandlungen zu führen. Und so ist es naheliegend, daß ich zunächst an Sie | als den hiesigen Historiker herantrete mit der Frage, ob Ihre Zeit es Ihnen erlaubt, ebenfalls ein Preisrichteramt zu übernehmen, da wir drei Preisrichter brauchen. / Mit vorzüglicher Hochachtung / Vaihinger. – Fester an Felix Krueger vom 29.4.1913: Hochverehrter Herr Kollege! / Herr Geheimrat Vaihinger teilt mir mit, daß die Kantgesellschaft eine Preisaufgabe über den Einfluß der Kantischen Philosophie auf die Männer der Reformzeit gestellt habe und Meinecke-Spranger das Preisrichteramt angenommen hätten. Er fährt dann wörtlich fort: „Als Geschäftsführer der Kant-Gesellschaft habe ich deshalb die Verhandlungen zu | führen. Und so ist es naheliegend, daß ich zunächst (!) an Sie als den hiesigen Historiker herantrete mit der Frage, ob Ihre Zeit es Ihnen erlaubt, ebenfalls ein Preisrichteramt zu übernehmen, da wir drei Preisrichter brauchen“. / Ich bitte Sie, der Kantgesellschaft zur Kenntnis zu bringen, daß ich nicht in der Lage bin, auf diese Anfrage zu antworten. / In ausgezeichneter Hochachtung Ihr ergebenster R. Fester. – Vaihinger an Krueger vom 30.4.1913 (eigenhändig): Sehr geehrter Herr Kollege! / Anbei die vollständige Abschrift des Briefes, den ich an Herrn Kollegen Fester geschrieben habe. Herr Kollege Fester hat die erste Hälfte des Briefes in einem Schreiben an Sie weggelassen, obgleich doch diese erste Hälfte erst das Ganze in das richtige Licht stellt. Daß diese Weglassung der ersten Hälfte gerade seitens eines Historikers etwas auffallend ist, brauche ich wol nicht besonders zu betonen. Mit vorzügl. Hochachtung / Vaihinger. – Vaihinger an Krueger vom 1.5.1913 (eigenhändig; Textverluste durch Aktenheftung): Sehr geehrter Herr Kollege! / So oft ich auch meinen Brief an Herrn Coll. Fester durchlese – ich finde ihn durchaus harmlos, aber so oft ich auch [Herr]n Coll. Festers Brief an [Sie] durchlese, so kann ich ihn doch [nich]t verstehen. Es muß da [ein] mir unerklärliches Mißverständniß obwalten. / Vielleicht könnten Sie dazu | beitragen, dieses Mißverständniß zu heben, um so der Kantgesellschaft einen großen Dienst zu leisten. / Gerne würde ich über die Angelegenheit mit Ihnen sprechen. Vielleicht können Sie mir angeben, wann ich Sie besuchen darf? Ich selbst bin durch Verwandte zwischen 1 und 5 ½ in Anspruch genommen. / Mit coll. Gruß Ihr ergebenster / H. V. – Vaihinger an Krueger vom 2.5.1913 (nicht eigenhändig): Hoch geehrter Herr College! / Für den Brief an Herrn Collegen Fester bin ich ganz allein verantwortlich. Ich habe mit keinem der Herren des Verwaltungsausschusses über die Frage gesprochen, wer noch als Preisrichter zu gewinnen sei; denn ich betrachte es als ganz selbstverständlich, dass alle Mitglieder des Verwaltungsausschusses darin übereinstimmen, dass in erster Linie der hiesige Neuere-Historiker dafür in Betracht | komme. / Diese Anfrage habe ich in meinem Briefe kurz und schlicht an Herrn Collegen Fester ergehen lassen. Ich habe eine ungeheure Correspondenz in Sachen der Kantgesellschaft – dieser Brief, den ich jetzt an Sie richte, trägt in meinem Briefjournal für das laufende Jahr 1913 schon die Nr. 450 – so ist es wohl verständlich, dass ich mich in meinen Briefen kurz fasse, zumal ich fast alles diktieren muss. Ein diktierter Brief klingt ja leicht im Tone anders als ein selbstgeschriebener. / Ich betrachte es als selbstverständlich, dass alle Mitglieder des Verwaltungsausschusses, und auch alle Mitglieder der Kantgesellschaft dem | Herrn Professor Fester sehr verbunden sein werden, wenn er ein Preisrichteramt übernehmen würde. Zunächst aus dem besonderen Grunde weil gerade Herr College Fester durch sein bekanntes Werk über Rousseau und dessen Einfluss auf die deutsche Geschichtsphilosophie sich selbst auf dem Gebiete der Philosophie betätigt hat; sodann aus dem allgemeinen Grunde, weil es überhaupt sehr schwer ist Preisrichter zu gewinnen. Bei den beiden letzten Preisaufgaben der Kant-Gesellschaft habe ich je an ca. 10 Collegen geschrieben, bis es mir gelang die üblichen 3 Preisrichter zu gewinnen. Denn fast niemand opfert gern seine Zeit | der meistens so undankbaren Aufgabe eines Preisrichteramtes. Um so dankbarer wird es sicher die Kant-Gesellschaft begrüssen, wenn Herr College Fester sich der Aufgabe unterziehen würde. / Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr College, dieses Schreiben dem Herrn Collegen Fester zugänglich zu machen, und hoffe, dass dadurch das entstandene Missverständnis beseitigt wird. / Im Voraus bestens dankend, mit vorzüglicher Hochachtung Ihr Vaihinger. – Vaihinger an Krueger vom 3.5.1913 (eigenhändig): H. g. H. C.! In Eile noch folgende Mitteilung: / Ich habe den Herren Collegen Meinecke und Spranger mitgeteilt, daß ich in erster Linie den Herrn Coll. Fester um Mitarbeit ersuche, Beide haben mir gegenüber auch ihre Übereinstimmung damit ausgedrückt. / Es wird daraus wol nun ersichtlich sein, daß ich | Alles gethan habe, um Herrn Coll. Fester wirklich als Mitarbeiter zu gewinnen. / Vielleicht haben Sie die große Freundlichkeit, auch dies noch dem Herrn Coll. Fester mitzuteilen. / Mit bestem Dank im Voraus sowie mit bestem Gruß Ihr ergebenster Vaihinger. Vgl. auch Krueger an Vaihinger vom 2.5. und vom 4.5.1913.3↑ein Preisrichteramt ] für die im Oktober 1913 ausgeschriebene Preisaufgabe der Kantgesellschaft über das Thema: Der Einfluss Kants und der von ihm ausgehenden deutschen idealistischen Philosophie auf die Männer der Reform- und Erhebungszeit (vgl. Kant-Studien 20 (1915), S. 450).4↑aus Amerika ] Felix Krueger lehrte 1912/1913 an der Columbia University New York (https://www.catalogus-professorum-halensis.de/kruegerfelix.html (30.9.2024)).5↑Herrn Dr. Thimme ] Friedrich Thimme (1868–1938), seit 1902 Bibliothekar an der Stadtbibliothek Hannover, ab 1913 Leiter der Bibliothek des Preußischen Herrenhauses (vgl. Josef Anker: Thimme, Friedrich Wilhelm Karl. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bd. 11. Herzberg: Bautz 1996, Sp. 1213–1229). Vgl. Kant-Studien 18 (1913), S. 335: Aufruf zur Ermöglichung einer neuen, der siebenten, Preisaufgabe. (Jubiläumspreisaufgabe.) […] Schon oft ist daran erinnert worden, dass die Entstehung des neuen Lebens und des neuen sittlich-staatlichen Bewusstseins eine wesentliche Grundlage in der Philosophie Kants besitze, dass die innere Erneuerung des preussischen Staatswesens nach der Katastrophe von Jena ihren Ausgangspunkt von Königsberg, dem Wirkungsorte Kants, genommen und dass eben dort die Begeisterung der Freiheitskriege ihre ersten, so bedeutungsschweren Wellen geschlagen habe; oft ist dargelegt worden, eine wie grosse Zahl der Reformer und Freiheitshelden – Theodor von Schön, der Nationalheld Ostpreussens; die beiden um die Agrar- und Verwaltungsreform des preussischen Staates so hochverdienten Freiherren von Schroetter, der Staatsminister wie der Kanzler; Stägemann, der Freiheitsdichter; Frey und Morgenbesser, die beiden Mitarbeiter an dem grossen Werk der Städteordnung; die Freiheitshelden Hermann von Boyen und Karl von Clausewitz; der geistesgewaltige Wilhelm von Humboldt und viele, viele Andere – durch die Schule Kants hindurchgegangen und mit Kantischem Geist erfüllt waren.6↑Meinecke ] im Nachlass Friedrich Meineckes (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, VI. HA, Nl Friedrich Meinecke, Nr. 49) finden sich eine Reihe Schreiben von Vaihinger an Meinecke, die das Organisatorische rund um Meineckes Beteiligung als Preisrichter betreffen (Schreiben vom 23.4.1913, 14.5.1913 (Postkarte), 27.5.1913, 30.5.1913, 10.6.1913, 17.10.1913 sowie, nach kriegsbedingter Unterbrechung des Preisausschreibens, vom 11.5.1921, 19.1.1922 und 4.6.1922). In der Postkarte Vaihingers vom 14.5.1913 heißt es: In der Weiterführung der Angelegenheit der Preisaufgabe bin ich längere Zeit aufgehalten worden durch die Verhandlungen mit Herrn Kollegen Fester, die sich jedoch zerschlagen haben. Nähere Mitteilungen hierüber werde ich Ihnen später einmal gelegentlich machen. Ich habe mich nun zunächst an Herrn Geh. Rat [Max] Lenz in Berlin gewendet. Zuvor, am 23.4.1913 hatte Vaihinger geschrieben: Was nun den 2. Historiker betrifft, so haben Sie in Ihrem Brief an Herrn Dr. Thimme auch Herrn Kollegen Fester hier genannt. Ich möchte ihn natürlich nicht gern übergehen, da dies leicht als eine Vernachlässigung betrachtet werden könnte. Ob er annehmen würde, falls wir an ihn gehen, weiß ich noch nicht, da gewisse kleine Spannungen in der Fakultät vorhanden sind. Aber ich möchte es nicht auf mich nehmen, ihn einfach zu übergehen. Jedoch möchte ich mich auch nicht an ihn wenden, ohne mich vorher dessen zu versichern, dass Sie, hochverehrter Herr Kollege, falls Herr Kollege Fester annehmen würde, mit ihm zusammen arbeiten wollen.7↑Spranger ] vgl. Eduard Spranger an Vaihinger vom 19.4.1913, 16.5.1913, 29.5.1913, 19.10.1913 und 13.5.1921 – sowie Spranger an Friedrich Thimme vom 16.4.1913, überliefert in Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 6 k (Spranger an Vaihinger), 3 S. (das Zeichen / signalisiert Zeilenwechsel): Mittelzell auf Reichenau i. Bodensee den 16. April 1913. / Hochgeehrter Herr (Archivrat!) / Ihre sehr liebenswürdigen Mitteilungen haben mich hier etwas auf Umwegen erreicht. Ich danke Ihnen für Ihre Güte und bitte Sie gewiß zu sein, daß mich die Angelegenheit lebhaft interessirt und daß ich der Sache von Herzen den besten Erfolg wünsche. Das Thema (das übrigens die Berliner phil[osophische] Fakultät vor Jahren schon einmal als Preisaufgabe gestellt hat) bedarf immer noch einer gründlichen Bearbeitung, und die nötigen Vorarbeiten liegen jetzt bei Meinecke u. a. vor. Auch in Leipzig arbeitet ein junger Historiker, Famulus vom Kollegen Herre [Paul Herre (1876–1962), seit 1912 nichtplanmäßiger ao. Prof. für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Leipzig, vgl. https://research.uni-leipzig.de/catalogus-professorum-lipsiensium/leipzig/Herre_426/ (30.9.2024)], seinen Namen weiß ich leider nicht mehr, über | Schöns Staatsauffassung. / Nicht ganz so leicht liegt die Frage meiner persönlichen Beteiligung, an die Sie in so liebenswürdiger Weise gedacht haben, die aber für das Zustandekommen des Ganzen sekundär ist. Ich stehe der Kantgesellschaft insofern etwas fern, als ich weder ihr Mitglied bin noch bisher an den Tagungen teilnehmen konnte. Auch dies Jahr wird es mir nicht möglich sein, da diese Zusammenkünfte immer in die Stürme des Semesteranfanges fallen. Sie werden nun begreifen, daß es mir peinlich ist, von Herrn Geheimrat V[aihinger] ein Ehrenamt anzunehmen, das ich um die Kantgesellschaft nicht verdient habe. Jedenfalls kann ich aktiv zunächst nicht vorgehen, sondern mir höchstens von der Versammlung einen Auftrag erteilen lassen. / Ob für eine Sammlung jetzt der geeignete Zeitpunkt ist, möchte ich bezweifeln. | M[eines] W[issens] aber hat die K. G. selbst sehr viel Geld, wie die Fülle der Dissertationen, die sie herauszugeben vermag, beweist. / Ich bitte Sie, hochverehrter Herr Archivrat, diese persönliche Situation freundlichst in Rücksicht ziehen zu wollen. Ich würde es nur gerecht finden, wenn die K. G. einen andern Philosophen wählt, und darf mich jetzt um so weniger vordrängen, als ich, wie es im Drange der Geschäfte ja leider vorkommt, Herrn Geheimrat Vaihinger in den 1½ Jahren meiner Leipziger Tätigkeit in Halle noch nicht einmal besucht habe. / Aber Ihren Plan selbst finde ich sehr wichtig, schön und der Säkularfeier im höchsten Maße würdig. Empfangen Sie also meine besten Wünsche und nochmaligen Dank für Ihr gütiges Vertrauen. / In lebhafter Verehrung Ihr ganz ergebener Eduard Spranger.▲