Bibliographic Metadata
- TitleGeorg Gerland an Karl Ledderhose, Straßburg, 14.7.1882, 5 S., hs. (Kanzlist) mit eU, aktenmäßig zweispaltig geknifft, Archives départementales du Bas-Rhin Strasbourg, 103 AL 260, Acta [des Kuratoriums] betreffend die Berufung von Professoren der philosophischen Fakultät (Oktober 1879–Januar 1888), Bl. 73–75
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- Physical LocationArchives départementales du Bas-Rhin Strasbourg, 103 AL 260, Acta [des Kuratoriums] betreffend die Berufung von Professoren der philosophischen Fakultät (Oktober 1879–Januar 1888), Bl. 73–75
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Georg Gerland an Karl Ledderhose, Straßburg, 14.7.1882, 5 S., hs. (Kanzlist) mit eU, aktenmäßig zweispaltig geknifft, Archives départementales du Bas-Rhin Strasbourg, 103 AL 260, Acta [des Kuratoriums] betreffend die Berufung von Professoren der philosophischen Fakultät (Oktober 1879–Januar 1888), Bl. 73–75[1]
An den[a] Kurator der Universität
Herrn Unterstaatssekretär Ledderhose
Hochwohlgeboren
hier.[b]
Straßburg den 14. Juli 1882.
Ew. Hochwohlgeboren beehrt sich die philosophische Fakultät mit Rücksicht auf die erfolgte Emeritirung des Collegen Weber[2] den gehorsamsten Antrag auf Conservirung der dritten philosophischen Professur und zwar in Form eines Extraordinariats zu unterbreiten.
Genau so: mit zwei Ordinarien[c] | und einem Extraordinarius war die Besetzung der Philosophie seit ihrem Bestehen[3]; bis die Kränklichkeit des Herrn Professor Weber die Erhebung des Extraordinariats zum Ordinariat nothwendig machte. Unsere bisherige Erfahrung bestimmt uns darauf anzutragen, daß der ursprüngliche Status, der übrigens der an den meisten anderen Universitäten üblichen Besetzung entspricht, nunmehr wiederhergestellt werde.
Wenn wir die Vorlesungen und Übungen, die in den letzten Jahren gehalten sind, überblicken und erwägen, was in der Zukunft von zwei Ordinarien[4] zu erwarten sein wird, so finden wir in folgenden drei Beziehungen eine Lücke, welche nur durch Heranziehung eines Extraordinarius ausgefüllt werden zu können | scheint.
Erstens fehlt es an Vorlesungen über Geschichte der Pädagogik. Da das Examen der Schulamts-Candidaten auf diesem Gebiete ganz bestimmte Kenntnisse verlangt, so ist der völlige Ausfall von einführenden Vorlesungen schon seit Jahren ein von Studenten oft und lebhaft beklagter Übelstand.
Zweitens ist es zwar bisher immer möglich gewesen, neben den unbedingt nothwendigen systematischen Collegien über Einleitung, Logik, Erkenntnißtheorie und Psychologie in angemessenen Zwischenräumen auch allgemeine Geschichte der Philosophie (der Philosophie)[d] zu lesen; aber für eine detaillirte Behandlung einzelner Abschnitte und für die Geschichte der einzelnen philosophischen Disciplinen (Logik, Psychologie, Moral- und Rechtsphilosophie) war die Zeit bis|her im Ganzen zu knapp und würde sie es beim Wegfall der einen Professur noch mehr sein.
Drittens ist es wünschenswerth, daß in seminaristischer Behandlung in das Verständniß der großen Classiker der Philosophie eingeführt werde. Auch hiefür dürfte bei der großen Reichhaltigkeit der berücksichtigenswerthen Litteratur eine dritte Kraft wohl zu verwenden sein.
Beim Beginn unserer Universität war die historische Seite der Philosophie mit zwei Professuren bedacht. Nachdem inzwischen die eine für die Geschichte bestimmte Professur aus Rücksicht auf eine zweckmäßige Organisation des Lehrstuhls sich auch nach Seiten der systematischen Fächer ausgebreitet hat, ist nach Wegfall des anderen philosophisch-historischen Lehr|stuhls Gefahr vorhanden, daß die geschichtliche Seite der Disciplin sachwidrig zu kurz falle.
Wir möchten daher Ew. Hochwohlgeboren mit allem Nachdruck das Gesuch unterbreiten, für etatsmäßige Fixirung eines philosophischen Extraordinariats neben den beiden ordentlichen Lehrämtern baldmöglichst Sorge zu tragen[5] und sehen der Aufforderung, für die Besetzung eines solchen dem Bedürfniß entsprechende Vorschläge zu machen, ehrerbietigst entgegen.
Verehrungsvoll
Prof. Dr. Gerland
Dekan der Fakultät[e]
Kommentar zum Textbefund
a↑An den ] am Kopf der Seite Aktennotizen (verschiedene Schreiber): pr. 15/7 82. | M. v. 1) Windelbands Eintritt abzuwarten 2) ev. ein den Katholiken genehmer Dozent zu berufen R. [Namenskürzel] 22/7 | Reprod. d. 23 October l. J. L[edderhose] 25/7 82. | Zu den Materialien für Aufstellung des Special-Etats für 1883/84 L[edderhose] 25/2 83.Kommentar der Herausgeber
1↑Bl. 73–75 ] der gesamte Vorgang Vaihinger (Bl. 72–79) ist abgelegt im direktem Anschluss an die Berufungsakten Wilhelm Windelband (Bestallungsdatum 7.6.1882, vgl. Bohr/Hartung: Forschungsgrundlagen Wilhelm Windelband, 2020).3↑Besetzung der Philosophie seit ihrem Bestehen ] mit Ernst Laas und Emil Alfred Weber, berufen jeweils als o. Prof. zum 20.4.1872 sowie Otto Liebmann, ao. Prof. seit 20.4.1872, o. Prof. 28.12.1877–Mai 1882 (vgl. Beilage I. Verzeichniss der Professoren und Docenten der Kaiser-Wilhelms-Universität 1872–1884. In: Festschrift zur Einweihung der Neubauten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg 1884. Straßburg: J. H. Ed. Heitz 1884).4↑zwei Ordinarien ] das waren nach Liebmanns Weggang nach Jena im Mai 1882 zunächst Ernst Laas und Wilhelm Windelband. Im Mai 1884 habilitierte sich außerdem Theobald Ziegler an der Philosophischen Fakultät Straßburg für Philosophie und Pädagogik (vgl. Archives départementales du Bas-Rhin Strasbourg, 103 AL 231, Acta [des Kuratoriums] der Kaiserlichen Universität in Strassburg betreffend: die Annahmen der Privatdocenten [danach gestrichen: für die philosophische Facultät] 1873–1884, Nr. 129). Ziegler wurde 1886 zum Nachfolger für Laas berufen. Ein etatmäßiges Extraordinariat für Philosophie wurde in Straßburg nicht eingerichtet.5↑Sorge zu tragen ] vgl. Karl Ledderhose an Rudolf Schöll vom 19.5.1883 sowie Ledderhose an Karl von Hofmann vom 30.5.1883.▲